Ein Mann und eine Frau blicken durch eine grün schimmernde Scheibe – ein Head-Up-Display.
Innovation

Augmented Reality im Cockpit: Projektionen im Himmel

In einer kritischen Situation zählt im Flugzeug jede Sekunde – und das schnelle Abrufen der wichtigsten Informationen kann entscheidend sein. Pilotinnen und Piloten müssen jederzeit den Überblick behalten: über sichtbare Hindernisse wie Flugzeuge, Wetter oder Gelände und möglichst auch über unsichtbare Elemente, die sich hinter Wolken verbergen. Hier setzt ZEISS mit Technologien wie dem Multifunctional Smart Glass an. Dank Augmented Reality werden wichtige Informationen direkt ins Sichtfeld projiziert. Das Ergebnis: ein sichereres und komfortableres Flugerlebnis, das die Zukunft der Luftfahrt neu definiert.

Einsteigen, abheben und alles hinter sich lassen: Dieses Gefühl der Freiheit ereilt Linda Kotzur immer wieder. Aber als passionierte Pilotin weiß sie auch: Mit dem Fliegen geht eine große Verantwortung einher. Schließlich kann jeder noch so kleine Fehler besonders folgenschwer enden. Eine wesentliche Rolle spielt die Sicht. Privatpilotinnen und -Piloten sind beim Fliegen nach Sichtflugregeln stark auf gute Sicht angewiesen. Sie tragen die Verantwortung für den Abstand zu Wolken und anderen Luftfahrzeugen. „Dabei wandern die Augen ständig zwischen Cockpit-Instrumenten und der Umgebung hin und her – eine besondere Herausforderung, vor allem bei der Landung“, erklärt sie.

Blick auf das Innere eines Cockpits eines kleinen Flugzeugs

Flugzeuge der Zukunft: Informationen im Sichtfeld

ZEISS wird Pilotinnen und Piloten zukünftig dabei unterstützen, diese Herausforderungen insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen und Notfallsituationen besser zu bewältigen: Seit einigen Jahren schon arbeitet das Unternehmen an einem fortschrittlichen Head-Up-Display (HUD), das wesentliche Informationen direkt ins Sichtfeld projiziert. Bei der Entwicklung der Technologie greift ZEISS auf die wertvollen Erfahrungen langjähriger Pilotinnen und Piloten wie Linda Kotzur und Tino Janke zurück.

Pilotin Linda Kotzur sitzt mit Headset auf dem Kopf lächelnd im Cockpit ihres Flugzeugs

Der Traum vom Fliegen

Seit mehr als sechs Jahren sitzt Linda Kotzur bereits im Cockpit: Im Jahr 2018 traf sie die Entscheidung, den Flugschein zu machen – zunächst heimlich, um ihre Familie nicht zu beunruhigen. „Sie hätten sich sonst Sorgen um mich gemacht”, erinnert sie sich. Neben ihrem Job im Vertriebsinnendienst betreut sie gemeinsam mit Expertinnen und Experten eine Website zum Thema „Pilot werden und Pilot sein“. Ihre Mission: die Luftfahrt sicherer machen. Dafür hat sie auch einen Flugwetter-Onlinekurs entwickelt – für Pilotinnen und Piloten, die nach Sichtflugregeln fliegen.

Die Stunden in ihrem Bürojob hat sie seither reduziert, um sich mehr der Fliegerei widmen zu können. „Ein Pilot lernt nie aus“ lautet ihre Devise – und darum erweitert sie regelmäßig ihren Horizont um die neuesten Entwicklungen, die das Fliegen sicherer und leichter machen, wie zum Beispiel Multifunctional Smart Glass von ZEISS.

Linda Kotzur steht auf der Rollbahn eines Flugfeldes vor ihrem parkenden Flugzeug und blickt in die Kamera.

Wenn man als Privatpilotin entsprechend den sogenannten VFR (visual flight rules) fliegt, dann fliegt man quasi auf Sicht. Und wenn sich dann, trotz bester Flugvorbereitung und Wetterplanung, das Wetter mal negativ verändert, kann es schon mal unangenehm werden.

Linda Kotzur Privatpilotin
  • Three questions for a private pilot video still
Berufspilot Tino Janke zeigt Linda und Dennis das Modell eines Head-Up-Displays, bei dem dank Augmented Reality wichtige Informationen direkt ins Sichtfeld projiziert werden.

Berufspilot Tino Janke steuert bereits seit mehr als 20 Jahren Passagierflugzeuge: von der Boeing 737 bis hin zum Airbus A330neo. Der 49-Jährige gehört zu den rund 10.000 Verkehrspiloten in Deutschland und ist zudem leidenschaftlicher Motor- und Segelflieger.

In der Luftfahrt wird verstärkt der Single-Pilot-Betrieb angestrebt, erläutert er. „Sollte sich dieser Trend fortsetzen, werden Head-Up-Displays den Piloten entscheidend entlasten.“ Während heute im bisher noch bewährten „Zwei-Mann-Cockpit“ ein „Pilot Flying“ und ein „Pilot Monitoring“ den Flugablauf überwachen, wird in Zukunft vermehrt die Elektronik die Rolle des „überwachenden Piloten“ übernehmen: „Wenn Verkehrsflugzeuge nur noch von einem Piloten gesteuert werden, wie es heute schon bei einigen Business-Jets der Fall ist, zählt vor allem eines: Effizienz.“

Er sieht großes Potenzial in der Multifunctional-Smart-Glass-Technologie: Denn angesichts des stetig wachsenden Luftverkehrs muss der Luftraum mit immer mehr Akteuren geteilt werden. Bereits heute gehören nicht nur Flugzeuge, sondern auch Drohnen und bald auch autonome Lufttaxis zu den Teilnehmenden, mit denen eine konfliktfreie Koexistenz im Luftraum gewährleistet werden muss.

Der Berufspilot Tino Janke steht in einem Ausstellungsraum und blickt in die Kamera.

Dank seiner hohen optischen Qualität überwindet das System die Schwächen früherer Modelle. Kontrast, Blendung, Sichtbarkeit und Bedienung werden deutlich verbessert.

Tino Janke Berufspilot
  • Blick durch ein AR Head-Up-Display-Modell auf eine wolkige Berglandschaft aus einem Flugzeug heraus.
  • Ein Mann und eine Frau blicken durch eine grün schimmernde Scheibe – ein Head-Up-Display.
  • Auf einem Computerbildschirm ist eine animierte Person und ihr Blickfeld zu sehen, bunt markiert.
  • Blick durch ein AR Head-Up-Display-Modell auf eine wolkige Berglandschaft aus einem Flugzeug heraus.
  • Ein Mann und eine Frau blicken durch eine grün schimmernde Scheibe – ein Head-Up-Display.
  • Auf einem Computerbildschirm ist eine animierte Person und ihr Blickfeld zu sehen, bunt markiert.

Dr. Dennis Lehr, Teil des Leitungsteams der ZEISS Microoptics und verantwortlich für das HUD-Projekt, beschreibt diese Vorteile so: „Primäre Flugdaten wie Geschwindigkeit, Flughöhe, Lage und Flugrichtung können beim Blick aus dem Cockpit direkt im Sichtfeld abgelesen werden. Ein großes Gesichtsfeld ermöglicht es zudem, an die jeweilige Situation angepasste Informationen darzustellen – ganz im Sinne der Effizienz.“ Die Technologie unterstützt Pilotinnen und Piloten dabei, ihre Aufmerksamkeit optimal auf den Flug und die Außenwelt zu richten.

Aber wie funktioniert die Technologie überhaupt? Eine Infrarot- und Mikrowellenkamera erfasst die Umgebung und projiziert sie als Bild direkt ins Blickfeld der Fliegenden. So werden Landebahnen, Hindernisse oder Berge selbst bei schlechter Sicht erkennbar. Das HUD minimiert somit Risiken und verhindert Zusammenstöße. Auch unnötige Warteschleifen und Flugumleitungen wegen schlechten Wetters können so zunehmend vermieden werden – ein Gewinn für die Umwelt.

Kompakte und kostengünstige Systeme für mehr Sicherheit

In der Verkehrsluftfahrt sind HUDs seit Jahren im Einsatz, aber noch nicht vollständig etabliert, erklärt Tino Janke. „Die Branche wartet gespannt auf eine neue Generation dieser Technologie“, ergänzt er. Schließlich seien frühere Systeme vor allem durch ihre schiere Größe im Cockpit aufgefallen.

In ferner Zukunft sieht Tino Janke, der sich seit Jahren intensiv mit dem Training von Notverfahren beschäftigt, die flächendeckende Einführung von HUDs auch in der allgemeinen Luftfahrt: „Gerade dort, wo nur ein Pilot im Cockpit sitzt, fehlt die Redundanz und die helfende Hand für den Griff nach der richtigen Checkliste.” Falsch oder gar nicht abgearbeitete Checklisten sind nach wie vor eine häufige Unfallursache in der Luftfahrt: „HUDs können heute schon einen großen Beitrag dazu leisten, diese Herausforderungen zu meistern“, betont der Luftfahrtexperte.

Das HUD von ZEISS, so glaubt er, wird neue Maßstäbe setzen: „Dank seiner hohen optischen Qualität überwindet das System die Schwächen früherer Modelle. Kontrast, Blendung, Sichtbarkeit und Bedienung werden deutlich verbessert. Wir erwarten nicht nur die simple Spiegelung von Instrumentenanzeigen, sondern die gesamte Bandbreite moderner Darstellungsoptionen“, zählt er auf.

Dr. Dennis Lehr, Teil des Leitungsteams der ZEISS Microoptics, steht in einem Ausstellungsraum und blickt in die Kamera.

Unsere Vision ist, diese Technologie allen Pilotinnen und Piloten zugänglich zu machen – vom Berufspiloten bis hin zum Privatpiloten. So möchten wir sie entlasten und ihnen ein sicheres Flugerlebnis unter allen Sichtbedingungen ermöglichen – vom Start bis zur Landung.

Dr. Dennis Lehr Teil des Leitungsteams der ZEISS Microoptics
Ein Mann sitzt in Schutzkleidung in einem gelb beleuchteten Labor und schaut auf ein Gerät.

Um diese Erwartungen zu erfüllen, setzt ZEISS bei der Entwicklung des HUDs auf seine bewährte Holografie-Technologie, die seit Jahren erfolgreich in Weltraummissionen der ESA und NASA eingesetzt wird. Durch kontinuierliche Entwicklung bietet die Multifunctional Smart Glass Technologie heute eine Vielzahl neuer Einsatzmöglichkeiten in der Luftfahrt- und Automobilindustrie, darunter HUDs, transparente Displays, Beleuchtungssysteme und Sensorsysteme. In der Luftfahrt profitieren nicht nur Pilotinnen und Piloten von diesen Innovationen, sondern auch die Passagiere: So könnten transparente Displays künftig Informationen und Unterhaltung direkt in den Fensterscheiben anzeigen und das Flugerlebnis bereichern.

Doch was macht diese Entwicklung bisher so schwierig? „Die Kosten und die Größe“, erklärt Dr. Dennis Lehr. Der promovierte Physiker erläutert: HUDs mit herkömmlichen Optiken sind besonders groß und teuer und nehmen viel Platz in einem vergleichsweise engen Cockpit ein. Das macht sie für kleine Maschinen ungeeignet. „Die Herausforderung bestand darin, diese Systeme kompakter und kostengünstiger zu gestalten“, erläutert er.

Nach Jahren intensiver Entwicklungsarbeit befindet sich die Lösung von ZEISS aktuell in der Testphase und soll in etwa drei Jahren marktreif und einsatzbereit für Business-Jets und Passagiermaschinen sein. „Unsere Vision ist, diese Technologie allen Pilotinnen und Piloten zugänglich zu machen – vom Berufspiloten bis hin zum Privatpiloten. So möchten wir sie entlasten und ihnen ein sicheres Flugerlebnis unter allen Sichtbedingungen ermöglichen – vom Start bis zur Landung“, betont Lehr.

Linda Kotzur freut sich heute schon darauf, die neue HUD-Technologie testen zu dürfen: „Ich liebe die Technik im Flugzeug“, sagt die 34-Jährige. Sie sieht in der Technologie von ZEISS nicht nur einen Sicherheitsgewinn, sondern auch eine Erleichterung im Cockpit. „Ich kann es kaum erwarten, bis HUD-Systeme ihren Weg auch in kleine Flugzeuge finden werden.“

Im Fokus: Augmented Reality im Cockpit

  • Augmented Reality ergänzt die Wahrnehmung unserer Umgebung um digitale Bildinhalte. Im Flugzeug werden mit Hilfe dieser digitalen Technologie Informationen aus dem Cockpit heraus hinter die Scheibe und damit direkt ins Sichtfeld geworfen. Pilotinnen und Piloten müssen also nicht mehr den Blick absenken, um die Fluginstrumente abzulesen – sie sehen die relevanten Informationen, während sie einfach durch die Frontscheibe hinausschauen.

  • Die Erweiterung der Realität durch Virtual oder Augmented Reality (VR oder AR) wird im Cockpit der Zukunft eine große Rolle spielen. Sie werden das Fliegen sicherer machen, weil Pilotinnen und Piloten, um Informationen abzulesen, ihren Blick nicht mehr von der Scheibe auf die Messinstrumente wenden müssen. Darüber hinaus können sie auf diese Weise Hindernisse sehen, die sich in der realen Umgebung nicht erkennen lassen. Auch das erhöht die Sicherheit beim Fliegen. Neben erweiterter Realität werden auch Sprachsteuerungs- und Assistenzsysteme das Fliegen verändern. Im Flugzeug der Zukunft werden Pilotinnen und Piloten Informationen per Sprachbefehl abrufen oder Handlungen ausführen lassen. Auch wird das System ihnen auf Grundlage von Daten Handlungsempfehlungen geben können.

  • Während es sich bei herkömmlichen Displays um Monitore handelt, die fest im Fahrzeug verbaut sind, nutzen holografische Head-Up-Displays (HUDs) Scheiben wie die Frontscheibe, um ihre Inhalte abzuspielen. Sie werden mittels Optiken auf die gläserne Oberfläche projiziert und es wirkt, als würden sie dahinter erscheinen – direkt im Sichtfeld der Steuernden. Bisher brauchte es für derartige Lösungen besonders viel Platz. Deshalb konnten sie in kleineren Flugzeugen nicht verbaut werden. ZEISS hat nun jedoch ein System entwickelt, das mit weniger Raum auskommt und wesentlich leistungsfähiger ist.