Mit zunehmender Digitalisierung erhöht sich auch die Datenmenge, die in Unternehmen entsteht – und das in schier unvorstellbarem Maße. Wie lässt sie sich noch händeln? Dieser Frage begegnet Lydia Nemec jeden Tag. Zusammen mit ihren Teams verarbeitet sie diese riesigen Datensätze, zieht aus ihnen die wichtigsten Informationen und hilft somit Mitarbeitenden, der Kundschaft sowie Konsumierenden, ganz konkrete Probleme zu lösen. Eine ihrer wichtigsten Helferinnen dabei: Künstliche Intelligenz.
Als Head of AI Accelerator ist Lydia Nemec für die Beschleunigung der Künstlichen Intelligenz (KI) bei ZEISS verantwortlich. Eine spannende Aufgabe. Denn praktisch stellt sich das so dar, dass die KI-Expertin drei Teams und mittlerweile mehr als 30 Expertinnen und Experten um sich versammelt hat, die Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens helfen, explizite Probleme zu lösen. Mit Hilfe von Daten und Künstlicher Intelligenz. „Unsere Herangehensweise ist: Es gibt ein Problem? Dann lass uns die Lösung dafür suchen“, sagt Lydia Nemec.
Kind und Coderin: Erste KI-Erfahrung schon in der Grundschule
Als Wissenschaftlerin ging sie für gewöhnlich den umgekehrten Weg: „Wir hatten oft eine Lösung parat und sagten: Lasst uns mal ein Problem suchen, das wir damit beseitigen können“, erinnert sie sich.
Aus diesem Grund hat sich die promovierte Physikerin für eine Laufbahn bei ZEISS entschieden: „Ich liebe es einfach, Probleme zu lösen“, sagt Nemec, „und das seit der Grundschule.“ Damals handelte es sich jedoch vorrangig um ihre eigenen Probleme. Zum Beispiel: das Einmaleins mit Hilfe von ein paar Zeilen Code zu erlernen.
„Auswendiglernen hat mich immer gelangweilt“, sagt Nemec. Ein Blick in die Bücher ihres Vaters, der damals – Anfang der 1990er Jahre – an der Universität Düsseldorf Programmierkurse gab, habe ihr geholfen.
„Ich habe gemerkt: Diese Computer können mir helfen. Aber ich hatte null Ahnung, was ich tat, war wirklich noch klein und nichts hat funktioniert“, so die KI-Kennerin: „Bis ich das System so weit hatte, dass es alle Multiplikationsaufgaben lösen konnte, hatte ich das Einmaleins längst selbst gelernt – und das System gar nicht mehr gebraucht.“
Heute, 30 Jahre später, ist Nemec in ihrer Position als Head of AI Accelerator bei ZEISS in einer Schnittstelle zwischen Daten, Software und KI gelandet, wie sie sagt: „Hier sind die Probleme etwas relevanter.“ Es geht zum Beispiel darum, Produkte zu optimieren oder gar neu zu entwickeln, Fehler in Prozessen ausfindig zu machen oder die Abläufe etwa in der Kundenansprache zu verbessern.
Es gibt eigentlich kaum einen Bereich im und um das Unternehmen, dem wir mit Data und KI nicht helfen können.
Mehr Digitalisierung, mehr KI, mehr Daten
Aber auch die Problemlöserinnen und Problemlöser brauchen Hilfe – und die erhalten sie von unsichtbarer Stelle: aus dem Datensatz, der im Unternehmen entsteht. Schließlich ist es so: Je weiter die digitale Transformation voranschreitet, desto mehr Daten laufen in den Organisationen auf. Damit allein ist aber noch niemandem geholfen. Dieser Datensatz muss in Informationen übersetzt werden. Erst dann liefern Daten dem Unternehmen hilfreiche Erkenntnisse.
Bei ZEISS setzen Lydia Nemec und ihre Teams dabei auf eine weitere Unterstützerin: „Künstliche Intelligenz ist sehr gut darin, Informationen effizient zu extrahieren. Zum Beispiel durch maschinelles Lernen, das beim Prozessieren von Abläufen hilft, oder durch Deep Learning, damit der Computer vereinfacht gesagt aus Beispielen selbstständig lernt“, erklärt Nemec. „Daten einsammeln und speichern verursacht einfach nur Kosten. Sinnvoll wird es erst, wenn Informationen herausgezogen werden.“
Daten sind also der Treibstoff für Künstliche Intelligenz. Und dank Künstlicher Intelligenz werden Daten zu Informationen. Das klingt sehr abstrakt. Deshalb erklärt Nemec den konkreten Nutzen dieser Errungenschaft an einem einfachen Beispiel: Während des Studiums habe sie einen Mikrobiologiekurs belegt. Die Arbeit bestand unter anderem darin, Proben zu nehmen, Zellen abzustreichen, diese unter ein Mikroskop zu legen und dann die Streptokokken zu zählen. „An der Anzahl der Bakterien konnten wir erkennen, ob ein Patient Antibiotika braucht oder nicht“, erzählt Nemec. „Das war wahnsinnig monoton und zeitraubend“, sagt Nemec. „Außerdem bestand die Gefahr, sich zu verzählen und ein falsches Ergebnis zu erhalten“, erläutert sie. Mit Machine Learning lasse sich diese Aufgabe viel einfacher, besser und effizienter lösen. „Und der Mensch kann sich um Dinge kümmern, die wichtiger sind“, sagt Nemec.
Hilfe von der Produktion bis zum Vertrieb
In ihrer täglichen Arbeit bei ZEISS begegnen ihr Momente wie damals im Studium immer wieder. Allerdings hat sie durch ihre Arbeit Systeme entwickelt, die ihr dabei helfen, diese Probleme effizient zu lösen – dank Daten und KI. So liefert beispielsweise eine moderne Produktion in der Industrie 4.0 eine große Anzahl an Daten. Entsprechend trainiert, kann ein Algorithmus etwa erkennen, wann eine Maschine Gefahr läuft, kaputt zu gehen, oder welches Bauteil nicht das erforderte Qualitätslevel erreichen wird.
Außerdem werden insbesondere bei ZEISS Geräte gefertigt, die unglaublich große Datenmengen generieren: bildgebende Geräte wie Mikroskope zum Beispiel oder auch Messmaschinen oder Medizintechnik. „Mit diesen Daten lassen sich ganz unterschiedliche Themen adressieren“, sagt Nemec: „Wir können zum Beispiel herausfinden, wie die typische Arbeitsweise dieser Maschinen ist oder wie die Kundinnen und Kunden unsere Produkte tatsächlich nutzen.“ Diese Informationen helfen später beispielsweise in der Produktentwicklung dabei, Geräte zu verbessern, oder dienen dem Service, wenn es darum geht, Wartungen oder Reparaturarbeiten einzuplanen.
Neben diesen Sensordaten laufen bei Nemec und ihren Teams auch Businessdaten auf. Anhand dieser Daten können sie und ihre Teams zum Beispiel ermitteln, welches Gerät für welche Zielgruppe besonders interessant ist – beziehungsweise, ob es für spezielle Innovationen überhaupt schon einen Markt gibt. Diese Informationen sind schließlich für Mitarbeitende im Marketing interessant oder wenn es im Vertrieb darum geht, die neuen Produkte an die passende Kundschaft zu bringen. Auch hier werden Daten und KI zur Hilfe gezogen.
Es gibt also sehr viele Gründe für die Mitarbeitenden bei ZEISS, Lydia Nemec und ihre drei Teams zu kontaktieren. Und meistens, sagt die KI-Expertin mit einem Augenzwinkern, seien die Mails, die sie erreichen, sehr freundlich. Sie wird eben wirklich gebraucht.
Im Fokus: Daten als Treibstoff Künstlicher Intelligenz
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Maschinelles Lernen oder Machine Learning (ML) umfasst eine Gruppe von statistischen Algorithmen, die es Computern ermöglichen, ohne explizite Programmierung aus Daten zu lernen. Dadurch kann der Computer Aufgaben ohne ausdrückliche Anweisungen ausführen. ML umfasst verschiedene Algorithmen wie Entscheidungsbäume, Regressionen, Bayesian Belief Network oder auch tiefe neuronale Netze wie Deep Learning (DL). DL ist Teil einer größeren Familie maschineller Lernverfahren, die auf künstlichen neuronalen Netzen basieren. Es gehört zur Klasse der hierarchischen Lernalgorithmen. DL hat sich beispielsweise bei der Analyse von Bild- und Sprachdaten bewährt.
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Grundsätzlich bestimmen die Problemstellung und die zur Verfügung stehenden Daten, welcher Algorithmus des maschinellen Lernens (ML) gewählt wird. Bei Bilddaten haben sich jedoch Deep Learning (DL) Ansätze besonders bewährt. Da viele Geräte von ZEISS Bilder erzeugen, spielt DL bei ZEISS eine entscheidende Rolle. Es ermöglicht unter anderem die Erkennung komplexer Muster in Bildern, die Unterstützung medizinischer Diagnosen sowie die Automatisierung von Bildverarbeitungsaufgaben, wie zum Beispiel die Analyse von Mikroskopbildern. Die Fähigkeit von DL, aus großen Mengen von Bildern Muster zu lernen und zu abstrahieren, wird genutzt, um innovative Bildverarbeitungstechnologien zu entwickeln, die Kunden und Kundinnen dabei helfen, ihre Herausforderungen effizienter zu bewältigen.
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Machine Learning (ML) beschleunigt die digitale Transformation in Unternehmen, indem es die effiziente Nutzung von Daten und die Gewinnung wertvoller Erkenntnisse ermöglicht. Mithilfe von ML können Prozesse automatisiert, Vorhersagemodelle erstellt, personalisierte Empfehlungen gegeben und Entscheidungen optimiert werden. Beispielsweise können Unternehmen mithilfe von ML das Kundenverhalten analysieren, um maßgeschneiderte Marketingkampagnen zu entwickeln. ML ermöglicht auch die Automatisierung von Aufgaben, die bisher manuell durchgeführt wurden, wie beispielsweise die Qualitätskontrolle in der Produktion. Dies steigert die Effizienz und senkt die Kosten. Die Integration von ML in verschiedene Geschäftsbereiche ermöglicht es Unternehmen, innovative Lösungen zu entwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der digitalen Transformation zu sichern.