Smarte Systeme, vernetzt und intelligent: Der Wandel zur Industrie 4.0 ist die vielleicht größte industrielle Revolution der Geschichte. Denn erstmals geht es nicht allein um physische Arbeit. Dank Künstlicher Intelligenz sind Systeme nicht nur digital verbunden, sondern auch in der Lage, sich automatisiert zu optimieren. Was das für die Fertigung bedeutet und welche Rolle ZEISS in der Industrie 4.0 spielt, damit befasst sich Dr. Alexander Freytag jeden Tag.
Automatisierung ist ein alter Hut. Schon die alten Griechen haben sich an ihr versucht, allen voran Heron von Alexandria. Der Ingenieur wird auch als Daniel Düsentrieb der Antike bezeichnet. Immerhin hat er nicht nur eine automatische Tempeltür erfunden. Auch der Prototyp einer Dampfmaschine, jenem Ermöglicher der Industrialisierung, die im 19. Jahrhundert die Welt verändert hat, geht aus seinen Schriften hervor.
Heute, mehr als zweitausend Jahre später, sitzt Dr. Alexander Freytag in seinem Büro – und beschäftigt sich immer noch mit Automatisierung. Er ist Experte für Machine Learning bei ZEISS, einem besonderen Teilbereich dieser Technologie. Aber natürlich ist alles anders als in der Antike. Künstliche Intelligenz (KI) hat alles verändert. Sie ist eine der wichtigsten und vielversprechendsten Technologien unserer Zeit. Mit Hilfe intelligenter Lösungen können Fertigungsprozesse automatisiert überwacht und optimiert, adaptiv vernetzt und vorausschauend gewartet werden. Das erhöht die Qualität, reduziert die Kosten – und damit auch die Preise für die Verbraucher. Vorbei ist also die Zeit unnötiger Ressourcenverschwendung, Qualitätsmängel und unflexibler Fertigungsabläufe. KI bietet somit großes Potenzial für die Industrie. Und mittendrin arbeiten Freytag und sein Team.
Alexander Freytag: Durch glücklichen Zufall zu ZEISS
Das war so nicht unbedingt zu erwarten. In der Schule hat sich Freytag noch nicht für Künstliche Intelligenz interessiert. „Da hatte ich andere Dinge im Kopf“, sagt er und lacht. Trotzdem wollte er Informatik studieren, Datenbanken und die Softwaretechnik als Schnittstelle zu anderen Disziplinen hatten es ihm angetan. Später hat Freytag sogar im Bereich KI promoviert und eigentlich eine Laufbahn in der Universität angestrebt. In die Industrie wollte er damals eigentlich nicht wechseln. Eigentlich. „Eher durch Zufall bin ich dann zu ZEISS gekommen“, sagt er. Hier ist Freytag bereits seit mehr als sieben Jahren Experte für Machine Learning in der Konzernforschung und sagt: „Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.“ Bei ZEISS kann er seine Expertise nicht nur anwenden, sondern auch in zukunftsweisende Produkte und Technologien einfließen lassen.
Bestehendes besser machen, diese Ambition treibt Alexander Freytag an. ZEISS und die Errungenschaften der Künstlichen Intelligenz ermöglichen ihm, dieses Ziel zu verfolgen.
Und die Industrie 4.0 ist das Spielfeld, auf dem seine Lösungen umgesetzt werden. „Wir entwickeln Technologien, die unsere Gesellschaft voranbringen”, sagt er und nennt auch einige Beispiele: „Wir ermöglichen, Prozesse in der Produktion in Taktzeit zu optimieren und die Qualität zu verbessern. Wir helfen medizinischem Personal, gute Diagnosen zu stellen. Wir unterstützen Forschende dabei, besser in Unbekanntes vorzustoßen. Und dank unserer Produkte können Menschen sogar besser sehen.” Als Familienvater ist er sich der Verantwortung dabei bewusst: „Das sind die Dinge, die meinen Job bei ZEISS besonders machen. Dinge, die ich mit Freude und Stolz meinen Kindern erzählen kann.“
Die smarte Revolution – Machine Learning, Automatisierungstechnik und Industrie 4.0
Dr. Alexander Freytag gibt Einblicke, wie ZEISS Künstliche Intelligenz einsetzt.
Wir trainieren Computern eine gewisse Neugier an. Im Prinzip lernen sie wie Kinder, denen wir als Eltern unsere Welt zeigen: Das da ist ein Elefant, das dort eine Giraffe. Und das ist eine kleine Giraffe. Ganz ähnlich bringen wir Maschinen beispielsweise das Aussehen von Defekten, Rissen, und Schmutz bei.
Künstliche Intelligenz: Maschinen lernen wie Kinder
Um Freytags Ambition zu verstehen, hilft ein Blick hinter die Kulissen: In der Industrie 4.0 ist alles vernetzt. Aus einzelnen Schritten, die nacheinander abliefen, starr vorgegeben und nicht vernetzt waren, werden Prozesse, bei denen Komponenten permanent miteinander kommunizieren können. Das betrifft beispielsweise Maschinen innerhalb einer Fertigungskette oder sogar der gesamten Produktion. Sie werden mit Hilfe von Sensoren getrackt. Über digitale Verbindungen werden die Daten zusammengeführt und ergeben ein digitales Abbild der Systeme. Auf den ersten Blick ist das ein großer Berg an Daten. Auf den zweiten Blick ein Schatz, der alles darüber verrät, was innerhalb der Fertigung vor sich geht.
Wie aber werden diese Daten zu Informationen? Mit der Frage beschäftigt sich Freytag als Experte für Machine Learning permanent. Er sagt: „Wenn wir in der Industrie von Künstlicher Intelligenz reden, ist damit meist Machine Learning gemeint.” Dabei geht es darum, Computer dazu zu befähigen, in riesigen Datenmengen wiederkehrende Muster zu erkennen – reproduzierbar, robust und präzise. „Wir trainieren Rechnern eine gewisse Neugier an“, sagt Freytag: „Im Prinzip lernen sie wie Kinder, denen wir als Eltern unsere Welt zeigen: Das da ist ein Elefant, das dort eine Giraffe. Und das ist eine kleine Giraffe. Ganz ähnlich bringen wir Maschinen beispielsweise das Aussehen von Defekten, Rissen, und Schmutz bei.“ Während die Kinder fürs Leben lernen, lernen die Maschinen für die Industrie, um sie voranzubringen. KI ist die Technologie, mit der Freytag die Maschinen dazu befähigt, diese komplexen Aufgaben schnell zu lösen.
Produkte werden verfügbarer, hochwertiger und günstiger
In der Praxis kann KI zum Beispiel helfen, Maschinen zu überwachen. Schließlich liefern die Sensoren permanent Informationen über die Anlage. „Allerdings ist kein Mensch in der Lage, 30 Sensorwerte wie Druck, Temperatur oder Feuchtigkeit, die eine Maschine in Echtzeit liefert, permanent zu kontrollieren“, erklärt Freytag: „Aber wir können Algorithmen entwickeln, die diese Daten analysieren und in Informationen überführen.“
Auf diese Weise können KI-Algorithmen Fehler in Abläufen erkennen, lange bevor sie zum Defekt und damit zum Ausfall der Anlage führen. Und sie können der Maschine im nächsten Schritt helfen, sich selbst zu optimieren – vollkommen automatisiert. Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe von KI neben der Maschine auch die Erzeugnisse auf Fehler überprüfen. Wie die Anlage werden auch die Bauteile während der Fertigung gescannt, in Daten übersetzt und von Algorithmen ausgewertet. Fehlerhafte Teile werden beseitigt oder repariert. Das reduziert den Ausschuss, senkt Kosten und erhöht die Qualität. Vorteile, von denen auch die Konsumenten profitieren: Produkte werden verfügbarer, hochwertiger und günstiger – und das in einer Zeit, in der das Leben immer teurer und Ressourcen knapper werden.
Als Tech-Unternehmen macht sich ZEISS die Errungenschaften Künstlicher Intelligenz in der Industrie 4.0 zunutze. Und dabei ist kein Projekt wie das andere: „Es ist nicht so, als hätten wir einen Baukasten mit KI-Lösungen, der immer für alle Fragestellungen passt.“ Für jedes Problem erarbeiten Freytag und sein Team einen individuellen Lösungsweg. „Die erste Herausforderung ist oft, das Problem in all seinen Facetten zu verstehen”, sagt er: „Erst dann machen wir uns auf die Suche nach der passenden Lösung.”
Industrie 4.0 in Zahlen
Fehler finden in Echtzeit
Immer wieder eine große Hilfe dabei: Künstliche Intelligenz, die bei der Verarbeitung von schier unvorstellbar großen Datenmengen hilft. Das passt gut zu ZEISS: „Schließlich sind wir in ganz vielen Bereichen tätig, in denen große Datenmengen aufgenommen werden, zum Beispiel in der Medizintechnik, der industriellen Qualitätskontrolle oder der Halbleiterfertigung“, erklärt Freytag. Früher habe ZEISS in den Bereichen im Wesentlichen Geräte ausgeliefert. Box-Business, sagt Freytag. „Aber es ist schwer, ein Gerät, das Daten produziert, so zu bedienen, dass man aus ihnen die richtigen Schlüsse zieht“, so der Experte. Daher sei es naheliegend gewesen zu sagen: „Wir wollen nicht nur Geräte, die Daten erzeugen, sondern smarte Boxen, die diese Daten auch in Informationen überführen.“
Also verbaut ZEISS - als Ermöglicher der Digitalisierung - KI-Lösungen in seine Produkte, die Kunden auf dem Weg ins neue Industriezeitalter begleiten. Entweder entstehen dabei Tools für Software oder Automatisierungstechnik oder eine Art Werkzeugkasten, aus dem sich Kunden Anwendungen individuell zusammenstellen können. Auf diese Weise hilft ZEISS etwa Fertigungsunternehmen, Fehler in Produktionsprozessen ausfindig zu machen, Maschinen effizienter zu überwachen und somit die Qualität ihrer Bauteile zu sichern.
Zum Beispiel überwacht ein System bestehend aus Sensoren, Kameras und KI-Software die additive Fertigung von Flugzeugturbinen oder hochtechnologischen Bauteilen für den Rennsport. Das erhöht die Qualität der gefertigten Teile und reduziert den Materialeinsatz. Außerdem sparen die Hersteller so bis zu einem Tag an Arbeitszeit pro Druckprozess. KI kann die Daten schließlich schneller, effizienter und genauer auswerten als ein Mensch und sogar kurzfristige Aktionen zur Fehlerkorrektur veranlassen. „Die Lösungen werden immer besser, weil KI aus den Daten lernt”, sagt Freytag. Deshalb erwartet er in Zukunft Fortschritte in allen Bereichen. Insbesondere dort, wo viele Daten auflaufen – etwa in der Industrie. Seinen Namensvetter Heron von Alexandria hätte das sicher gefreut.
Im Fokus: KI in der Industrie 4.0
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Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie. Was zuvor nachgelagert abgearbeitet wurde, erfolgt nun parallel und vernetzt. Möglich wird das mit Hilfe von digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie. Zentrale Technologien für die Industrie 4.0 sind daher Künstliche Intelligenz, Digitale Zwillinge und das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Mit der weltweiten Vernetzung über Unternehmens- oder Ländergrenzen hinweg gewinnt die Digitalisierung der Produktion neue Qualität: Das Internet der Dinge, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und Fabriken, die immer intelligenter werden, läuten eine neue Epoche ein – die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0.
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Nach Industrialisierung, Elektrizität und Digitalisierung läutet die Industrie 4.0 das vierte Industriezeitalter ein. Die Industrie 1.0 ist erstmalig geprägt von der Automatisierung von Prozessen: Unter Verwendung von Dampfkraft können Maschinen in Fabriken die Arbeit von Menschen erledigen. Es ist der Ursprung der Industrialisierung. Für den zweiten Schritt sorgte die Elektrizität Anfang des 20. Jahrhunderts. Henry Fords Fließband war Sinnbild der Industrie 2.0. Im dritten Kapitel, der Industrie 3.0, ermöglichen Computer und Mikroprozessoren die flexible Programmierung von Fertigungsmaschinen. Und die vierte Phase, in der sich die Industrie aktuell befindet, bezieht sich auf die Entwicklung intelligenter, vernetzter Systeme.
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Durch die digitale Vernetzung von Maschinen und Abläufen entstehen unzählige Datensätze. Zum Beispiel werden Maschinenaktivitäten durch Sensoren erfasst. Jede einzelne Erhebung ist ein Datensatz. Um diese Daten in Informationen zu übersetzen – dafür braucht es Künstliche Intelligenz (KI). Denn in der Regel sind diese Datenmengen viel zu groß, als dass sie ein Mensch per Hand analysieren könnte. Künstliche Intelligenz dagegen hat das Potential, aus diesen Daten Informationen zu extrahieren, um damit Produktion und Service zu verbessern. Mögliche Anwendungsfälle sind beispielsweise die vorausschauende Wartung, Optimierung und Automatisierung von Prozessen sowie Qualitätsüberprüfungen.