Um die großen Zusammenhänge zu verstehen, richtet Dr. Oliver Plümper den Blick auf die ganz kleinen Dinge: Der Geowissenschaftler untersucht Minerale, die Bestandteile von Gesteinen sind. Aber welche Geschichten erzählen diese Komponenten – und wie helfen sie uns, das große Ganze zu verstehen: die Geheimnisse unseres Planeten Erde? Um das herauszufinden, setzt Plümper auf Technik und Technologie: Mikroskope – und Künstliche Intelligenz.
An den Moment, der seinem Berufsleben die entscheidende Wendung gab, erinnert sich Plümper noch sehr genau. Es war Mitte der Zweitausender während des Studiums der Geowissenschaften an der Universität in Münster. „Als ich unter einem Mikroskop das erste Mal Atome gesehen habe, diese kleinsten Teilchen, die das große Ganze Planet Erde bestimmen“, sagt er, „da hat es Klick gemacht. Da habe ich gemerkt: In diesem Bereich will ich arbeiten.“ Seine Mutter erzählt diese Geschichte übrigens etwas anders. „Sie sagt, dass ich als Kind schon in jedes Erdloch gekrabbelt bin und mir alles genau angeschaut habe“, berichtet Plümper und lacht.
Mit Wissenschaft und Technologie die Erde ergründen
So oder so: Mikroskope und Erdlöcher, beides sind heute wichtige Bestandteile seiner Arbeit. Plümper ist tatsächlich Geologe geworden und assoziierter Professor an der Universität Utrecht in den Niederlanden mit einer der weltweit größten und angesehensten Fakultäten in diesem Bereich. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich damit, den Planeten Erde zu ergründen. Heute ist er einer der renommiertesten Geowissenschaftler in Europa und auf Expeditionen auf der ganzen Welt unterwegs: vom Indischen Ozean bis in den Norden Norwegens.
Rund um diese großen Expeditionen haben es ihm insbesondere die winzigsten Dinge angetan: Minerale, die kleinsten Bauteile auf der Gesteinsskala. „Ich will verstehen, wie die Erde funktioniert“, sagt Plümper. „Und die ganz kleinen Prozesse in und an der Oberfläche von Mineralen sind es, die die ganz großen Prozesse der Erde diktieren. Das fasziniert mich.“
Um diese Prozesse jedoch zu ergründen und Erkenntnisse aus ihnen zu gewinnen, setzt der Wissenschaftler auf Hightech. Der Schlüssel zu den für das menschliche Auge unsichtbaren Einblicken liegt in der Mikroskopie. Diese jahrhundertealte Technik wurde durch die Digitalisierung jedoch revolutioniert. Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei ganz aktuell eine entscheidende Rolle. Denn KI ist der Treibstoff des digitalen Fortschritts und lässt Realität werden, was früher noch Fiktion war. Plümper profitiert von dieser Errungenschaft – und ZEISS macht sie ihm zugänglich.
Von kleinsten Teilchen bis zu größten Entdeckungen
Ich will verstehen, wie die Erde funktioniert. Und die ganz kleinen Prozesse in und an der Oberfläche von Mineralen sind es, die die ganz großen Prozesse der Erde diktieren. Das fasziniert mich.
Daten und KI als Möglichmacher
Die Arbeit der intelligenten Mikroskopie beginnt dann, wenn der Wissenschaftler von seinen Exkursionen zurückkehrt und im Labor unterm Mikroskop untersucht, was er mitgebracht hat. „Dabei generieren wir Gigabyte bis Terabyte an Daten. Um die zu prozessieren, ist Künstliche Intelligenz enorm wichtig“, sagt Plümper. Etwa bei der Bildsegmentierung. So entsteht beim Mikroskopieren eine Vielzahl an Bildern – und damit ein großer Datensatz. Entsprechend trainiert kann KI Merkmale in den komplexen 2D- oder auch 3D-Bildern erkennen und segmentieren. Viel schneller und genauer als herkömmliche Bildanalyse.
Wie in vielen Bereichen wird Künstliche Intelligenz in der Mikroskopie vielschichtig eingesetzt. „Es gibt Bereiche, in denen sich die Technologie bereits sehr weit entwickelt hat", sagt Plümper. Ein Beispiel dafür ist die Vernetzung einzelner Geräte. Einfach erklärt: Der Wissenschaftler legt eine Probe vom einen auf das andere Mikroskop und nimmt die digitalen Informationen, die er erfasst hat, mit unter das neue Mikroskop. Die neuen Informationen kommen dazu – und können mithilfe Künstlicher Intelligenz direkt im Zusammenhang mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen interpretiert werden. Noch dazu ermöglicht es die Digitalisierung auch, sich mit Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zu vernetzen, zusammenzuschließen und gemeinsam auf eine Probe zu schauen. „Mikroskopie ist ja nicht nur, ein Bild zu machen. Sondern auch, damit weiterzuarbeiten“, sagt Plümper: „Quantitativ Bilder zu interpretieren, das ist ein Punkt, an dem KI eingreift.“
Potenziale intelligenter Mikroskopie sieht der Wissenschaftler beim Quantencomputing. „Die Datenmengen werden immer größer. Sie zu verarbeiten, da ist Rechenleistung ein Gamechanger“, sagt er. Bisher käme die Technologie für ihn jedoch noch nicht infrage, da sie Daten zwar schnell verarbeiten, aber nicht speichern könne. Auch im Bereich der Robotik sieht der Geologe noch Möglichkeiten: „Vielleicht hilft irgendwann ein Roboter, Mikroskope besser zu bedienen“, sagt er. Aber das ist selbst heute noch eine Fiktion.
Erkenntnisse aus dem Erdinneren
Zurück in der Wirklichkeit geht es dem Geowissenschaftler nicht nur darum, die Welt zu verstehen – sondern sie auch nachhaltig zu verbessern. Intelligente Mikroskopie und die dazugehörigen Technologien wie Künstliche Intelligenz helfen ihm dabei. So untersucht er zum Beispiel aktuell Unterwasservulkane in der Mitte des Atlantiks. Diese sogenannten hydrothermalen Quellen spucken kleinste Nanopartikel in den Ozean. „Wir schauen gerade, welche Einflüsse diese Partikel auf das Meer haben und was wir davon lernen können, zum Beispiel für die industrielle Produktion”, erklärt Plümper. So könnten beispielsweise neue Rohstoffe erforscht werden, die entstehen, wenn die Partikel ins Meer abgestoßen werden. Das Faszinierende: „Der Ausbruch der Unterwasservulkane ist ein riesengroßer Prozess, aber was am Ende dabei herauskommt, sind winzig kleine Partikel”, sagt er.
Auch Erdbeben bestimmen einen Teil seiner Arbeit. Allerdings seien diese Naturgewalten besonders schwer zu erforschen. Plümper und seine Kollegen nehmen sich der Sache trotzdem an. „Erdbeben sind Prozesse, die im Erdinneren ablaufen, aber einen Effekt auf uns Menschen haben”, sagt er. „Daher ist es wichtig zu verstehen, was da vor sich geht.”
Der Klimawandel beschäftigt den Wissenschaftler ebenfalls. „Wir schauen uns über einen langen Zeitraum den Wasser- und Kohlenstoffkreislauf an”, sagt Plümper. Auch dafür braucht er Mikroskope, denn Kohlenstoff wird in winzig kleinen Bauteilen gespeichert: in Mineralen. „Aber wie wird er gespeichert und wie wird er wieder freigelassen? Das versuchen wir mithilfe von Mikroskopie herauszufinden”, erklärt Plümper. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Thema CO2-Speicherung: Denn wenn Minerale Wasser in sich speichern, warum dann nicht auch klimaschädliches Kohlendioxid? Fragen, denen er nachgeht – und bei denen Mikroskopie, Digitalisierung und KI eine große Hilfe sind.
Wir müssen die ganz kleinen Dinge verstehen, um Einfluss auf die ganz großen Zusammenhänge nehmen zu können.
Antworten aus dem Inneren der Erde
Für seine Arbeit sieht er deshalb weiterhin Relevanz. „Es ist immer wichtig zu wissen, wie die Erde funktioniert“, sagt Plümper, „weil Prozesse, die im Erdinneren ablaufen, eine Wirkung auf uns Menschen haben.“ Warum sind wir hier? Warum ist die Erde, wie sie ist? Warum können wir hier leben? „Die Antworten auf all diese Fragen finden sich im Inneren der Erde“, erklärt der Wissenschaftler. Auch sind es diese Aspekte, die ihn antreiben. Seine Ambition: „Wir müssen die ganz kleinen Dinge verstehen, um Einfluss auf die ganz großen Zusammenhänge nehmen zu können.” Auch deshalb gibt er sein Wissen weiter: an die Studierenden der Utrecht Universität, aber in Zukunft auch an seinen zweijährigen Sohn, dem er einen lebenswerten Planeten hinterlassen möchte.
Wir leben von der Erde, sagt er: Früher von Öl und Gas, künftig von Rohstoffen für erneuerbare Energien: Metalle, die aus der Erde kommen. „Die müssen wir gut abbauen und nachhaltig nutzen. Wir haben nur diesen einen Planeten – unsere Erde“, sagt Plümper. In diesem Punkt begibt er sich vom Kleinen ins Große. Ganz anders als in der Mikroskopie.