Interview mit Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.
ZEISS Beyond Talks

Interview mit Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer1

Die preisgekrönten Fotografien des Polarforschers Sebastian Copeland nehmen uns mit in eine Welt, die nur die wenigsten Menschen mit eigenen Augen sehen können. Mit uns sprach er über die Schönheit, die Gefahren und die Zerbrechlichkeit der Natur im ewigen Eis.

Seit über 175 Jahren stellt man sich bei ZEISS die Frage: Wie können wir die Grenzen der Vorstellungskraft herausfordern? Diese Vision war für ZEISS der Anlass, in der Gesprächsreihe ZEISS Beyond Talks den Austausch mit Vordenkern und führenden Intellektuellen aus der ganzen Welt zu suchen und mit ihnen über ihre Arbeit, ihre Visionen, ihre Leidenschaften und aktuelle Fragen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung unserer Welt zu sprechen.

  • Interview (11:50 Min.)

Sie haben einen außergewöhnlichen Beruf. Wie kam es, dass Sie Forscher geworden sind?

Meine ersten Schritte als Forscher verdanke ich meiner Familie, besonders meinem Großvater. Er verbrachte lange Zeit in Indien und war ursprünglich Großwildjäger. In der Mitte seines Lebens entschied er sich, sein Gewehr gegen Kameras einzutauschen, und er erlegte niemals wieder ein Tier.

In den 30er, 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts unternahm mein Großvater zahlreiche Expeditionen in Botswana und Tansania. Später ließ er sich im heutigen Eswatini nieder. Seine Erlebnisse prägten mich schon als kleiner Junge. In den 1970er Jahren nahm er mich mit auf Reisen nach Südafrika. Ich war gerade 12 Jahre alt, als ich dort meine ersten Bilder mit einer kleinen Einwegkamera von Kodak schoss.

Erzählen Sie uns mehr darüber, wie sich Ihre Leidenschaft für die Fotografie entwickelt hat.

In gewisser Weise hat die Fotografie mich gefunden, als ich noch ein Kind war. Sie wurde für mich zu einem Medium, mit dem ich ausdrücken konnte, was ich sah und erlebte, eine natürliche Erweiterung meiner Wahrnehmung. Ich hatte nicht unbedingt vor, aus der Fotografie einen Beruf zu machen, ich hatte einfach eine gewisse Begabung dafür.

Ursprünglich hatte ich Geowissenschaften mit Schwerpunkt Glaziologie und Astronomie studiert und machte nebenbei Fotos von Rockbands. Eigentlich wollte ich promovieren, aber die Fotografie hat sich dann doch ziemlich schnell zu einer gangbaren, finanziell interessanten und kreativ anregenden beruflichen Perspektive entwickelt. Mein Talent kam in der Werbewelt gut an und so lockte mich die Arbeit als professioneller Fotograf weg von der Welt der Wissenschaft. Ich wurde direkt nach dem Studium eingestellt und begann als Fotograf zu arbeiten, noch bevor ich einen anderen Weg einschlagen konnte.

Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.

Beim Fotografieren geht es darum, den Augenblick in eine Zeitkapsel einzufrieren.

Sebastian Copeland Preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer
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ZEISS Beyond Talks

The Podcast

Der Podcast „ZEISS Beyond Talks“ ist eine Interviewreihe mit führenden Wissenschaftlern, bekannten Künstlern und ZEISS Experten aus aller Welt, die wichtige Meilensteine umspannt. Alle Beiträge suchen Antworten auf die Frage: Wie können wir die Grenzen der Vorstellungskraft herausfordern?

Wie schwierig ist es, in extremer Kälte zu fotografieren?

In Polargebieten zu fotografieren, verlangt große Opfer – man muss buchstäblich dafür leiden. Es lässt sich überhaupt nicht vergleichen mit der Arbeit eines Fotografen in angenehmeren Umgebungen.

Die Temperaturen liegen bei 40, 50 oder 60 Grad unter null und man ist so angezogen, um gerade noch bei voller körperlicher Anstrengung eine ausgewogene Körpertemperatur zu haben. Beim Anhalten packt einen die extreme Kälte mit voller Wucht.

Die Kamera liegt normalerweise hinten auf dem Schlitten, die Hände stecken in riesigen Fausthandschuhen und im Gesicht bildet sich Frost. Wenn Sie die Handschuhe ausziehen, frieren Ihre Finger ganz fürchterlich. Und wenn Sie Ihre Jacke öffnen, sinkt sofort die Körpertemperatur ab. Aber genau das ist nötig, um an die Speicherkarte und Batterien zu kommen, die sich in einer Innentasche in der Achselhöhle befinden, wo sie warm bleiben.

Als nächstes müssen Sie diese mit gefrorenen Fingern in die Kamera einlegen. Sind Sie dann endlich bereit, das Foto zu machen, sehen Sie nichts durch die Linse, weil sie durch die eigene Körperwärme beschlägt. Alles, was Sie tun, geht nur mit einem gewissen Grad an Ungenauigkeit, weshalb es für das Endergebnis essenziell ist, dass Sie Ihre Ausrüstung kennen.

Beim Fotografieren geht es immer darum, den Augenblick in eine Zeitkapsel einzufrieren. Zurück zu Hause diesen Augenblick durch das Foto auf dem Bildschirm – oder besser noch: auf dem Abzug – erneut erleben zu dürfen, ist ein unglaubliches Privileg.

  • Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.
    Sebastian Copeland
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    Sebastian Copeland
  • Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.
    Sebastian Copeland

Wie würden Sie die Schönheit der Antarktis in wenigen Worten beschreiben?

Ich hatte die großartige Gelegenheit, die Antarktis von Küste zu Küste zu durchqueren – eine 4.100 Kilometer lange Reise. Wenn man in der Mitte dieses Kontinents steht, hat man das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. In der Antarktis bekommt man einen Eindruck davon, wie unsere Erde ausgesehen hat, bevor sich vor etwa 650 Millionen Jahren das erste vielzellige Leben entwickelt hat.

Sebastian Copeland, award-winning photographer, adventurer and environmental advocate.

In der Antarktis bekommt man einen Eindruck davon, wie die Erde vor 650 Millionen Jahren war.

Sebastian Copeland Preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer

Wie gefährlich sind Ihre Polar-Expeditionen?

Die Gefahr ist ein ständiger Begleiter, aber diese bestimmt Sie nicht. Sie lernen mit einer gewissen Demut anzuerkennen, dass Sie nur als Gast in einer bestimmten Umgebung sind und dass sie Ihrem Leben jederzeit ein Ende bereiten kann.

Wenn man sich in einer gefährlichen Situation befindet, handelt man typischerweise auf Basis von Instinkt und Erfahrung. Beides zusammen bringt einen eigentlich gut durch die Gefahr. Das heißt aber nicht, dass diese Strategie immer funktioniert. Wir haben erst kürzlich einen sehr guten Freund in einer Gletscherspalte in Grönland verloren. Er war sehr erfahren und folgte der Route einer Expedition, die ich vor fast 10 Jahren unternommen habe. Sein Tod fühlte sich für mich wie eine Art Abrechnung an.

Gleichzeitig ist man in den Polargebieten den Umständen ausgeliefert, da man auf bestimmte Ereignisse absolut keinen Einfluss hat. Ich wurde zum Beispiel einmal von einem Eisbären verfolgt, als ich allein unterwegs war. Die Situation hat in diesem Moment keine Angstgefühle in mir ausgelöst – daran erinnere ich mich ganz klar. Aber seitdem habe ich oft darüber nachgedacht, was hätte passieren können, und dadurch entstand eine Art Trauma, das sich über die Jahre wiederholt.

Wenn Sie beispielsweise ein Gletscherspaltenfeld durchqueren, müssen Sie sehr vorsichtig auf jeden nächsten Schritt achten. In dem Moment haben Sie nicht das Gefühl, etwas Traumatisches zu erleben, weil Sie extrem fokussiert auf das Gelände und die Herausforderung sind. Der kalte Schweiß bricht erst danach aus.

  • Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.
    Sebastian Copeland

Sie haben die Auswirkungen des Klimawandels auf das Polareis mit eigenen Augen gesehen. Was sind Ihre Gedanken und Hoffnungen in Bezug auf den Kampf gegen den Klimawandel?

Das Meereis geht inzwischen so schnell zurück, dass 2014 zum letzten Mal jemand zum Nordpol laufen konnte. Wir sehen nicht nur eine Abnahme der Meereisbedeckung – also der Oberflächenausdehnung, die wir über Satellitenbilder sehr gut beobachten können –, sondern auch die Dicke, das Volumen des Eises wird sehr schnell weniger.

Um gegen diese massive Herausforderung vorgehen zu können, müssen drei Akteure des Wandels handeln: Politiker, Verbraucher und Vertreter aus der Wirtschaft. Leider sind diese drei mit ihren Füßen aneinandergekettet, sodass der Langsamste ihr Tempo bestimmt. Aber genau das ist das Paradigma des Wandels, mit dem wir es zu tun haben: Transformation geschieht nicht durch eine einzelne Aktion – Wandel passiert nur, wenn alle drei Akteure ihr Verhalten ändern.

Insofern kann jeder Einzelne von uns den Wandel aktiv voranbringen, indem wir Politiker wählen, die etwas verändern wollen, und indem wir als Verbraucher intelligent einkaufen. Das heißt, dass wir darauf achten müssen, den ökologischen Fußabdruck unseres Lebensstils möglichst zu reduzieren, indem wir Unternehmen unterstützen, die sich für Regeneration und Nachhaltigkeit einsetzen.

  • Sebastian Copeland, preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer.
    Sebastian Copeland

Was gibt Ihnen Hoffnung, dass wir die Herausforderung bestehen werden?

Mich begeistern der Ideenreichtum von uns Menschen und die vielen praktischen Anwendungen in Landwirtschaft, Technologie, E-Mobilität und anderen Gebieten, die daraus entstehen.

Beispielsweise haben wir durch den Klimawandel bereits ein Prozent des bewohnbaren Landes verloren, verglichen mit der Situation vor 30 Jahren. Im Jahr 2070 werden es 19 Prozent sein. Wie können wir den Boden an diese Entwicklung anpassen? Wie können wir widerstandsfähigere Pflanzen züchten, die nicht mit Chemikalien belastet sind? Es ist sehr spannend zu sehen, welche Lösungen entwickelt werden, um beispielsweise den Boden zu stabilisieren und dafür zu sorgen, dass er mehr Feuchtigkeit speichern kann.

In diesem Ideenreichtum und dieser Fantasie liegt das Potenzial des Menschen. Hier zeigen wir unsere ganze Kreativität, die Fähigkeit zur intelligenten Verarbeitung und Synthese von Daten und unsere Empathiefähigkeit. Wenn wir all das bündeln und auf unser gemeinsames Ziel von mehr Nachhaltigkeit – was ich persönlich gerne Regeneration nenne – ausrichten, gibt mir das Hoffnung und Inspiration.

Sebastian Copeland, award-winning photographer, adventurer and environmental advocate.

Sie sind immer nur als Gast in einer bestimmten Umgebung. Sie kann Ihrem Leben jederzeit ein Ende bereiten.

Sebastian Copeland Preisgekrönter Fotograf, Abenteurer und aktiver Umweltschützer

Making-of

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    Das Interview wurde zur besseren Verständlichkeit bearbeitet.