Ermüdungsversuche

Ermüdungsversuche

Bestimmung der Schwingungsfestigkeit von Werkstoffen und Bauteilen mit optischer 3D-Messtechnik

Ermüdungsversuche werden in verschiedene Kategorien unterteilt:

  • Low Cycle Fatigue Versuche nach ISO 12106 und ASTM E606
  • Dauerschwingversuch/Wöhlerversuch nach DIN 50100, ASTM E466-15 oder ISO 1099

Der High Cycle Fatigue Versuch (HCF), auch als S-N-Test, Wöhler-Ermüdungsversuch oder Dauerschwingversuch bezeichnet, ist ein zyklischer Belastungstest zur Bestimmung des Ermüdungsverhaltens von Werkstoffen und Bauteilen. Das Ermüdungsverhalten oder die Schwingfestigkeit gibt Aufschluss über das Verformungs- und Versagensverhalten eines Werkstoffs oder Bauteils bei zyklischer, mechanischer Beanspruchung. Die Prüfergebnisse spielen eine wichtige Rolle für den Einsatz der Werkstoffe und Bauteile in der Praxis, da zyklische mechanische Belastungen häufig die Ursache für das Versagen von Bauteilen sind. Die Kenntnis des Ermüdungsverhaltens erlaubt genaue Rückschlüsse auf die Dauerfestigkeit und Ermüdungsgrenze eines Werkstoffs oder Bauteils. Das Wissen über das Ermüdungsverhalten von Werkstoffen und Bauteilen stellt sicher, dass während des Lebenszyklus des Endprodukts keine kritischen Materialschäden oder plötzliches Ermüdungsversagen auftreten.

Spannungskonzentrationen und Kerbwirkung

Spannungskonzentrationen und Kerbwirkung

Der Dauerschwingversuch (Wöhlerversuch) kann für die Grundlagenforschung eingesetzt werden, zum Beispiel wenn es um neuartige Faserverbundwerkstoffe in Bereichen wie Automobilbau, Luft- und Raumfahrt oder Biomechanik geht. Außerdem ist der Wöhlerversuch fester Bestandteil von Prototypentests, wo er z. B. zur Beurteilung des Bauteildesigns oder zur Berechnung der Betriebsfestigkeit verwendet werden kann. Konstrukteure können sich bei der Produktentwicklung nicht ohne Prüfung auf die allgemeinen Materialkennwerte verlassen, da diese nicht 1:1 auf jedes Bauteil übertragbar sind. Der Grund dafür ist, dass Bohrungen, Bauteilgröße und -form sowie andere Konstruktionsmerkmale zu einer veränderten Spannungskonzentration am Bauteil im Vergleich zu den standardisierten Probengeometrien in der Werkstoffprüfung führen. Somit beeinflussen die einzelnen Konstruktionsmerkmale das Ermüdungsverhalten der Bauteile erheblich und beschleunigen möglicherweise das Versagen. Dieses Phänomen wird in der Fachliteratur als Kerbwirkung (oder Spannungskonzentrationseffekt) bezeichnet.

Wie läuft ein Dauerschwingversuch ab?

Der Versuchskörper wird in einen Prüfstand eingespannt und einer zyklischen Belastung (Zug, Druck, Biegung, Torsion oder Scherung) unterzogen, wobei in der Regel eine sinusförmige Last-Zeit-Funktion verwendet wird. Während des Wöhlerversuchs bleibt die Mittelspannung konstant. Die Proben einer Versuchsreihe werden abwechselnd um den Spannungsausschlag (Amplitude) beiderseits der Mittelspannung belastet, bis ein vorgegebenes Versagenskriterium eintritt, z. B.:

  • Der Dauerschwingversuch läuft, bis die Probe versagt (oder ein klar definiertes Versagenskriterium auftritt, z. B. Bruch oder Riss).
  • Der Ermüdungsversuch mit hoher Lastspielzahl endet, wenn die Probe oder das Bauteil die Grenzschwingspielzahl erreicht hat, ohne ein sichtbares Versagenskriterium aufzuweisen. In diesem Fall wird die Probe oder das zu prüfende Bauteil als dauerfest bezeichnet.
  • Wissenschaftler und Prüfingenieure führen immer mehrere Dauerschwingversuche an identischen Proben nacheinander durch. Die Spannungsamplitude wird von Probe zu Probe schrittweise reduziert (Treppenmethode), bis das vordefinierte Ereignis (z. B. der Bruch des Versuchskörpers) nicht mehr auftritt oder die Grenzschwingzahl erreicht ist. Im Allgemeinen werden mindestens drei Versuche pro Belastungsamplitude durchgeführt, um die Werte statistisch zu überprüfen.

Die Ergebnisse aller Durchläufe eines Dauerschwingversuches werden schließlich in ein Diagramm übertragen: das Wöhlerdiagramm. Dieses Diagramm zeigt die Abhängigkeit der Spannungsamplituden (Y-Achse) und deren jeweils ermittelte Schwingspielzahlen (X-Achse). Daraus ergibt sich die Wöhlerkurve (Synonym: Wöhlerlinie).

  • Dauerschwingversuche

Wie kann die Verformung bei Dauerschwingversuchen gemessen werden?

Ein klassisches Messmittel für den Wöhlerversuch ist der Dehnungsmessstreifen (oder DMS), dessen Widerstandswert sich ändert, wenn die Objektoberfläche gedehnt oder gestaucht wird. Dehnungsmessstreifen (DMS) sind in einer Vielzahl von Materialien und Formen auf dem Markt erhältlich, so dass für jede Standardprüfung geeignete Dehnungsmessstreifen zur Verfügung stehen. Um die Verformung des zu prüfenden Materials oder Bauteils zu erfassen, werden ein oder mehrere Dehnungsmessstreifen (DMS) manuell auf die Probe appliziert und über Kabel mit einem Messwertverstäker oder einem so genannten Datenerfassungssystem (DAQ) verbunden.

Was einfach klingt, erweist sich in der Praxis als komplexer: Das örtliche Aufbringen des DMS stellt einen physikalischen Eingriff in die Beschaffenheit der Probenoberfläche dar. Selbst wenn die Klebeschicht des Dehnungsmessstreifens/der Dehnungsmessstreifen sehr dünn ist, kann eine lokale Kerbwirkung beobachtet werden. Die daraus resultierenden kleinen Oberflächendefekte können zu unerwünschten Brüchen im Bereich des Dehnungsmessstreifens/der Dehnungsmessstreifen führen, wodurch der Versuch verfälscht wird. Darüber hinaus bringt die Verwendung von Dehnungsmessstreifen (DMS) ein zweites Problem mit sich: Nicht nur das geprüfte Material ermüdet, sondern auch das Material des DMS ist der Ermüdung ausgesetzt. Insbesondere bei Hightech-Verbundwerkstoffen kann die Materialermüdung des DMS früher eintreten als die Ermüdung des zu erprobenden Werkstoffs. Dies kann dazu führen, dass der Dauerschwingversuch (Wöhlerversuch) früher als vorgesehen abgebrochen werden muss, nämlich schon mit Versagen des DMS.

Eine sinnvolle Alternative oder Ergänzung zu Dehnungsmessstreifen (DMS) bietet die optische 3D-Messtechnik: Kamerabasierte Messsysteme verfolgen den Prüfablauf in Echtzeit (in Multi-Sensoraufbauten aus verschiedenen Perspektiven) und zeichnen berührungslos Messdaten auf. Die erfassten Dehnungs- und 3D-Verschiebungsmesswerte liefern eindeutige Informationen über die Verformung des Prüfkörpers. Die Messdaten werden automatisch an die Messsoftware übertragen, so dass verschiedene Auswertungen möglich sind (z. B. der Abgleich der Messdaten mit den Simulationsdaten).

Welches Messsystem eignet sich für den Dauerschwingversuch?

Das optische 3D-Messsystem ARAMIS erfasst hochpräzise 3D-Koordinaten, 3D-Verschiebungen und 2D-Oberflächendehnungen sowohl über die gesamte Fläche als auch an bestimmten Punkten. Das Messfeld des ARAMIS Systems lässt sich flexibel an das Messobjekt anpassen. Ob Kleinstbauteil oder meterlange Spezialkonstruktion: Die ARAMIS Sensoren decken immer den kompletten Versuchsaufbau ab. Im Gegensatz zu herkömmlichen Dehnungsmessstreifen (DMS) nimmt das System die Messdaten vollständig berührungslos auf. Bei Bedarf kann der Anwender über die angeschlossene ZEISS INSPECT Software auch virtuelle Dehnungsmessstreifen (DMS) auf das Bauteil aufbringen, ohne sich im Vorfeld Gedanken darüber machen zu müssen, wo die größte Belastung auftritt. Die Software führt den Anwender durch den gesamten Messablauf: von der Messdatenerfassung über die Analyse von Oberflächenverformungen oder punktuellen 3D-Verschiebungen bis hin zur Erstellung von aussagekräftigen Messberichten, die auch für messtechnisch unerfahrene Anwender (z. B. Kooperationspartner oder Kunden) leicht verständlich und interpretierbar sind. Das Ausmaß der Verformung des Probekörpers lässt sich beispielsweise in einer farbigen Abweichungsdarstellung visualisieren.


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