Zugversuch

Zugversuch

Umfassende Werkstoffprüfung insbesondere im Maschinenbau

Bei Zugversuchen werden Werkstoffe wie Stahl auf ihre endgültige Zugfestigkeit geprüft. Die genormten Zugproben lassen Rückschlüsse auf die Eigenschaften und das Zugverhalten der jeweiligen Materialien zu.

Was ist ein Zugversuch?

Zugversuche sind genormte, quasistatische Prüfmethoden, bei denen bestimmte Materialkennwerte gemessen werden. Sie gehören zu den zerstörenden Verfahren, weil die zu prüfenden Proben oft über die Streckgrenze hinaus belastet werden. Die Materialprüfung erfolgt mit Zugprüf- und Universalprüfmaschinen. Die Geräte stellen eindimensionale Bewegungsabläufe in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm und einem Kraft-Weg-Diagramm dar. Die ermittelten Kennwerte geben Aufschluss über die Eigenschaften und das Zugverhalten der geprüften Materialien. Welche Prüfmaschine eingesetzt wird, hängt von den jeweiligen Anforderungen ab. Die Maschinenpalette reicht von Tischsystemen (3 kN) über 50-kN-Varianten mit Doppelspindel bis hin zu Zugprüfmaschinen mit Großlasten zwischen 300 kN und 2000 kN.

Die für Zugprüfmaschinen geltenden Normen sind die allgemeine Norm DIN 51222, DIN EN ISO 6892-1 und DIN EN ISO 7500-1 für metallische Werkstoffe und die ISO 5893 für Kunststoffe und Kautschuk. Welche Anforderungen für die Materialien der Zugprobe gelten, ist in der DIN 50125 festgehalten. Für die Bruchdehnung verwendet man bei einigen Werkstoffen die Messlänge und bei anderen den Proportionalitätsfaktor (Proportionalitätsstäbe). Mit dem Prüfverfahren möchte man beispielsweise herausfinden, welche Belastung das Material ohne plastische Verformung ertragen kann und bei welcher Kraft das Material zerstört wird. Außerdem werden die Eigenschaften und das Verformungsverhalten von Hartschaum, weichelastischem Schaum, Gummi und faserverstärkten Verbundwerkstoffen bestimmt.

Der Querschnitt der verwendeten Probe hängt vom gewählten Ausgangsmaterial ab. Wenn der Stahl ein hohes Volumen hat, fertigt man aus dem Vollmaterial eine Probe mit rundem Querschnitt. Für die Werkstoffprüfung von Blechen ist eine Flachzugprobe erforderlich (rechteckiger oder quadratischer Querschnitt). Dieses Prüfverfahren wird bevorzugt im Maschinenbau eingesetzt, da es auch Rückschlüsse auf andere Arten der Beanspruchung zulässt.

Zugversuche können mit berührenden (Ansetzaufnehmer) und berührungslosen Messsystemen durchgeführt werden. Bei Ansetzaufnehmern werden mindestens zwei Messschneiden an der Probe angebracht. Diese messen die Längenänderung des zwischen ihnen eingespannten Artefakts. Berührungslose Messungen erfolgen heute mit digitalen, optischen Extensometern. Bei ihnen erfasst der im Messgerät befindliche Sensor die Längenänderung. Solche Messgeräte haben den Vorteil, dass sie auch sehr schnelle Dehnungen präzise erfassen können. Einige Modelle sind sogar für die Messung sehr heißer Materialien geeignet. Diese Extensometer können auch für zerstörende Zugversuche verwendet werden, da sie genügend Abstand zum Prüfkörper haben.

Ablauf des Zugversuchs

Der klassische Zugversuch ist die so genannte Zerreißprobe: Die genormte Probe wird in die Prüfmaschine eingespannt und bei steigender Zugbelastung gedehnt, bis sie zerbricht oder reißt. Es werden nur Prüfkörper mit einem kleinen Querschnitt verwendet. Die Dehnung der Probe erfolgt stoßfrei und mit geringer Geschwindigkeit. Während des Versuchs misst man die auf den Prüfkörper einwirkende Kraft und die Längenänderung in der Messstrecke. Die statische Prüfmaschine erstellt ein Kraft-Weg-Diagramm und zeigt dieses auf dem PC-Monitor an.

Zugprüfmaschinen bestehen aus einer festen und einer beweglichen Traverse, die von einer oder zwei Spindeln angetrieben wird. Der Antrieb funktioniert hydraulisch oder elektrisch. Vor dem Zugversuch wird die Geschwindigkeit der Traverse festgelegt, und die Zugprobe wird mit Hilfe von Probehaltern zwischen den Traversen eingespannt. Dann wird die Traverse mit konstanter Geschwindigkeit in eine Richtung bewegt, bis das Material reißt. Das Prüfgerät erfasst die Verformung der Probe sowie die erforderliche Kraft mit Hilfe der Traverse oder eines Dehnungssensors. Anschließend berechnet man Zugspannung und Dehnung, indem die abgelesenen Werte mit den Abmessungen der Zugprobe in Beziehung gesetzt werden. Die Zugspannung wird aus der Querschnittsfläche vor dem Versuch ermittelt. Die Bruchdehnung berechnet man anhand der Traversenverschiebung.

Bei anderen Zugversuchen werden Bauteile oder Proben so lange einer Zugkraft ausgesetzt, bis die erforderliche Prüflast erreicht ist. Das ist ein zerstörungsfreier Zugversuch. Solche Werkstoffprüfungen werden durchgeführt, um sicherzustellen, dass das belastete Bauteil die technischen Anforderungen erfüllt. Da die Weiterverarbeitung die Werkstoffeigenschaften verändert, muss das Material später erneut geprüft werden.

  • Zugversuch mit ARAMIS

Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Auf der Grundlage des nach dem Zugversuch erstellten Spannungs-Dehnungs-Diagramms werden die folgenden Kennwerte ermittelt:

  • Zugfestigkeit
  • Elastizitätsmodul (E-Modul)
  • Streckgrenze (untere, obere)
  • Dehngrenze
  • Bruchdehnung
  • Gleichmaßdehnung
  • Einschnürung

Zugfestigkeit

Die Zugspannung der Probe nimmt kontinuierlich zu, bis keine weitere Krafterhöhung mehr erforderlich ist, um die Längenänderung zu bewirken. Dann zerreißt die Probe. Im Zuge der gleichmäßigen Dehnung des Werkstoffs kommt es an einer Stelle des Prüfkörpers zu einer Einschnürung. Diese so genannte Taillenbildung tritt auf, wenn die maximale Kraft überschritten wird. Anschließend ermittelt man die Zugspannung. Die Einschnürung beschleunigt sich, bis die Probe bricht. Handelt es sich bei dem Prüfkörper um einen Metallstab, weist er so viele Versetzungen im Kristallgitter auf, dass eine Verfestigung unmöglich ist. Sie tragen zur Bildung von Hohlräumen bei. Einschnürungen und Hohlräume verringern den Probenquerschnitt. Wirkt Spannung auf einen sich verringernden Querschnitt ein, vergrößert sich die Einschnürung. Der Metallstab zerreißt.

(Ausgeprägte) Streckgrenze

Es wird zwischen der oberen und der unteren Streckgrenze unterschieden. Die obere Streckgrenze beschreibt den Punkt, an dem die Probe erstmals plastisch verformt wird. Die Materialfasern reißen. Es kommt zum Spannungsabfall und zur bleibenden Verlängerung der Probe. Die untere Streckgrenze beschreibt den Punkt nach der ersten Verformung, an dem der Abfall der Zugspannung am höchsten ist. Danach steigt die Zugspannung wieder kontinuierlich an. Bei Proben mit einer ausgeprägten Streckgrenze verringert sich die Spannung vor dem Bruch: Die Dehnung nimmt weiter zu, während das Material zu fließen beginnt. Bei Werkstoffen ohne ausgeprägte Streckgrenze, wie kaltgeformten und kaltgewalzten Stählen, erfolgt der Bruch im Bereich der Zugfestigkeit. Materialien wie unlegierter Baustahl (St 37) haben eine ausgeprägte Streckgrenze.

Elastizitätsmodul

Das Elastizitätsmodul beschreibt das linear-elastische Verformungsverhalten. Wenn die Streckgrenze noch nicht erreicht ist, bildet sich die Verformung vollständig zurück, wenn keine Kraft mehr ausgeübt wird. Der Kennwert ist identisch mit der Steigung der hookeschen Geraden.

Dehngrenze

Die Dehngrenze ist der Spannungswert, bei dessen Überschreiten die Probe dauerhaft verlängert wird. Auch wenn anschließend keine Kraft mehr einwirkt, kehrt die Zugprobe nicht zur Ausgangslänge zurück.

Bruchdehnung

Die Bruchdehnung ist die bleibende Dehnung des Prüfkörpers nach dem Bruch.

Gleichmaßdehnung

Die Gleichmaßdehnung ist die nicht-proportionale Dehnung der Zugprobe bei Erreichen der höchsten Kraft oder der maximalen Spannung.

Fazit

Zugversuche kommen in diversen Industrien zum Einsatz, heute oft unterstützt durch berührungslose, optische Messgeräte mit Kamera. Diese Messgeräte liefern präzisere Messergebnisse und eignen sich auch für Prüfungen, bei denen die Probe zerstört wird.


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