Mit ZEISS Innovationen gegen zunehmende Kurzsichtigkeit
Progressive Myopie, also fortschreitende Kurzsichtigkeit, trifft besonders Kinder in Asien, wo bereits bis zu 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter bis zu 20 Jahren kurzsichtig sind.
Aalen | 03. Mai 2018 | ZEISS Vision Care
Jedes Jahr trifft sich Anfang März in Shanghai die Augenoptikbranche zur größten asiatischen Messe rund um gutes Sehen und gesunde Augen. Ein Besorgnis erregendes Thema beschäftigt Optiker, Optometristen, Augenärzte und Brillenglashersteller besonders: die zunehmende Kurzsichtigkeit unter asiatischen Kindern und Jugendlichen, darunter auch in Form der progressiven Myopie, einer über die Jahre zunehmenden Form der Kurzsichtigkeit, die zu hochgradiger Myopie führen kann. In Asien leiden fast neun von zehn Kindern an Kurzsichtigkeit1. Bei Kurzsichtigkeit ist der Augapfel in den meisten Fällen länger als bei normalsichtigen Augen (Achsenmyopie). Das Längenwachstum bei progressiver Myopie kann sich über mehr als zehn Jahre erstrecken, mehrere Millimeter umfassen und damit bis zu Werten von -12 Dioptrien führen. Der entfernteste Punkt, der noch scharf gesehen werden kann, ist dann nur 8 cm vom Auge entfernt. Die einfache Kurzsichtigkeit, die auch Schulmyopie (Myopia Simplex) genannte Form, entwickelt sich meist im Alter von 10 bis 12 Jahren und ist angeboren. Sie führt in der Regel nicht zu Werten über -6 Dioptrien.
Fortschreitende Kurzsichtigkeit tritt besonders in Asien auf. Und Stadtleben und Digitalisierung tragen wohl zur weiteren Verbreitung von Myopie bei: Gerade in der späten Kindheit und Jugend kommt durch Urbanisierung die Stimulation durch natürliches Tageslicht für die gesunde Augenentwicklung zu kurz, denn die Kinder sehen zu wenig Tageslicht. Bereits 45 Minuten Aufenthalt im Freien hemmen das Fortschreiten von Myopie um 25 Prozent, eine Studie aus Taiwan ergab sogar eine Wirksamkeit von 50 Prozent mit dieser einfachen Methode. Ohne den Stimulus von Tageslicht – wahrscheinlich über den Spiegel des Dopamins, das auch auf der Netzhaut gebildet wird – tendiert das Auge zu Kurzsichtigkeit. Dies wird durch viel Lesezeit in der Schule und die intensive Nutzung digitaler Endgeräte verstärkt, die das Auge zu sogenannter Nahtätigkeit, also Akkommodation auf kurze Entfernung und über lange Zeiträume zwingt. Myopie entwickelt sich ab dem Kindesalter und endet meist nach der Pubertät. Ohne ausreichende Tageslichtexposition steigt die Wahrscheinlichkeit für Myopie um den Faktor 5, durch zusätzliche Naharbeit auf das bis zu 16-fache3.
Neben den Einschränkungen des natürlichen Sehens bringt die hochgradige Kurzsichtigkeit ein erhöhtes Risiko schwerer Augenerkrankungen mit sich. Das Längenwachstum des Augapfels erhöht das Risiko für eine Netzhautablösung, für Grauen Star (Katarakt) und zu hohen Augendruck (Glaukom). Ab einer Kurzsichtigkeit von -6 Dioptrien steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an einer Makuladegeneration zu erkranken, die zu erheblichen Sehbehinderungen führt und deren Endpunkt die Erblindung ist.
Für fortschreitende Kurzsichtigkeit werden weltweit zurzeit mehrere Wege erprobt und erforscht. Den Stein der Weisen für progressive Myopie hat noch niemand gefunden, aber es gibt optische, pharmakologische und auf das Verhalten bezogene Methoden, die derzeit angeboten werden.
Bisherige Behandlungsoptionen reichen von harten Kontaktlinsen und Pharmazeutika bis zu speziellen Brillengläsern
Für einfache Myopie sind Brillengläser und Kontaktlinsen bzw. bei Erwachsenen auch die Laserkorrektur des Auges gängige Mittel der Sehkorrektur. Am häufigsten wird die Korrektur mit Brillengläsern angewendet, wobei sich spezielle Myopie-Korrekturgläser im Vergleich zu Einstärkengläsern als vorteilhaft erwiesen haben.4
Gegenwärtige Behandlungsmöglichkeiten umfassen orthokeratologische Kontaktlinsen, die über Nacht getragen werden, auf die Krümmung der Hornhaut einwirken und auch das Längenwachstum des Augapfels verlangsamen sollen. Weiche Kontaktlinsen, die in der Fovea scharf abbilden, auf der Retina aber unscharf, werden ebenfalls eingesetzt. Pharmazeutische Methoden wie das Tropfen von Atropin (das in der Tollkirsche vorkommt und seit langem kosmetisch wie medizinisch eingesetzt wird, weil es die Pupille weitet) ist erwiesener Maßen effektiv bei Myopie, aber Langzeiterfolg und Nebenwirkungen sind derzeit zu wenig erforscht. Häufigste Methode sind Brillengläser, welche die mit anderen Lösungen verbundenen Risiken und Nebenwirkungen nicht aufweisen. Immer empfohlen wird die Veränderung der Lebensweise. „Vor allem der ausreichende Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen im Freien ist uneingeschränkt und für alle zu empfehlen, um die notwendige Stimulierung der Augenentwicklung durch natürliches Tageslicht zu gewährleisten“, so Hermann. Noch gebe es aber keine Möglichkeit, besonders die fortschreitende hochgradige Kurzsichtigkeit nachhaltig und mit dauerndem Erfolg in den Griff zu bekommen. Hermann: „Wir sprechen deshalb von Myopia Management, denn wir können Eltern wirksame Mittel geben, damit Kurzsichtigkeit bei ihren Kindern beherrschbar bleibt und spätere Sehbehinderungen oder Augenkrankheiten möglichst nicht auftreten.“
Myopia Management Lösungen von ZEISS ab 2018 mit erweitertem Portfolio
ZEISS setzt auf die Weiterentwicklung der Brillenglastechnologie zum Management der progressiven Myopie. Zum Management der progressiven Myopie mit speziellen Brillengläsern haben sich zwei unterschiedliche Designansätze bewährt, die ZEISS ab 2018 in einem neuen Portfolio für China und weitere asiatische Märkte anbietet.
ZEISS MyoVision greift die Idee des peripheren Defokus auf. Beim kurzsichtigen Auge wird mit Brillengläsern auf eine scharfe Abbildung auch entfernter Objekte im Sehzentrum korrigiert. Dabei liegt das Bild an der Peripherie leicht hinter der Netzhaut. Mit diesem sogenannten „peripheral defocus“, auch „peripheral hyperopic shift“ genannt, erhält das kurzsichtige Auge kontinuierlich einen Anreiz, in der Länge zu wachsen. Das optische Design von ZEISS MyoVision korrigiert das Sehen so, dass im Sehzentrum (Fovea) das Bild immer scharf gestellt ist und auch in der Peripherie korrigiert wird. Damit kann das für progressive Myopie entscheidende Längenwachstum des Augapfels ausgebremst und dem Fortschreiten der Kurzsichtigkeit im betrachteten Zeitraum wirksam begegnet werden.5
Seit Einführung des ersten speziellen Korrekturglases für Kinder mit fortschreitender Kurzsichtigkeit in Asien – ZEISS MyoVision in 2011/12 – spricht die hohe Akzeptanz und Verträglichkeit für diese Lösung. Mit ZEISS MyoVision Pro kommt 2018 eine verbesserte Version dieses Konzepts auf den Markt. Die Berechnung der Freiformoberflächen wurde optimiert, vor allem aber sind die optischen Designs mit AgeFit Junior Technologie angepasst worden, welche die altersspezifischen Werte für optimale Sehkorrektur in der Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen berücksichtigt. ZEISS MyoVison Pro Präzisionsbrillengläser sind hochgradig asymmetrische, asphärische Gläser mit unterschiedlichen Designs für das rechte und das linke Auge, die ausschließlich mit ZEISS Freiformtechnologie kalkuliert und hergestellt werden.
Ein zweites wissenschaftliches Konzept, das wissenschaftlich fundierte Ergebnisse liefert, ist die sogenannte verzögerte oder Unter-Akkommodation („accommodative lag“). Dieses optische Design greift zwei Effekte auf, die für die Entwicklung von Myopie eine nachweisliche Rolle spielen.6 Bei kurzsichtigen Kindern entspricht in der Nähe die Akkommodation nicht ganz der Entfernung des betrachteten Objekts, so dass die Abbildung nicht vollständig scharf ist. Die Abbildung liegt etwas hinter der Netzhaut und damit wird das Längenwachstum des Augapfels zusätzlich angeregt. In Folge verstärkt über die Jahre eine intensive Nahtätigkeit, also Lesen oder der Blick auf Tablets und Smartphones, oft die Kurzsichtigkeit. Das neuentwickelte optische Design von ZEISS MyoKids Präzisionsbrillengläsern erleichtert das Sehen in der Nähe. Mit der Unterstützung beim Nahsehen wird das Fortschreiten der Myopie nachweislich verlangsamt.7 In Kombination mit der Digital Inside Technology von ZEISS ist es zudem für den häufigen Gebrauch von Smartphones und Tablets optimiert. Das Tragen eines speziellen Brillenglases, das die Unterakkommodation verringert und das Nahsehen gezielt unterstützt, ist seit 20 Jahren bewährt und für die Altersgruppe von 5 bis 16 Jahren erwiesener Maßen wirksam.9
Eine Studie des ZEISS Vision Science Labs an der Universität Tübingen ergab, dass das „Accommodation Lag Management“-Design von ZEISS MyoKids die Unterakkommodation um bis zu 30 Prozent besser als konventionelle Gleitsichtgläser reduziert.10 Der Abfall der Korrektionswerte rund um die Nahsehzone stimuliert das kindliche Auge bei der Akkommodation besser und unterstützt eine natürliche Kopfhaltung bei Nahsehtätigkeiten. Der Abfall der Korrektionswerte rund um die Nahsehzone stimuliert das kindliche Auge bei der Akkommodation besser und unterstützt eine natürliche Kopfhaltung bei Nahsehtätigkeiten.
ZEISS MyoKids zeichnet sich durch schnelle Eingewöhnung und hohe Akzeptanz aus. Ein Trageversuch mit 252 Kindern in Hong Kong und China im Sommer 2017 ergab, dass 91 Prozent der Kinder zwischen 6 und 12 Jahren sich innerhalb einer Woche an die neuen Brillengläser gewöhnen11 und mit dem scharfen Sehen in allen Distanzen zufrieden sind.12 Neun von zehn Kindern berichten, dass sie sich bei der Nutzung digitaler Endgeräte mit ZEISS MyoKids wohler fühlen.13
Kurzsichtigkeit betrifft die ganze Welt: 2050 könnte die Hälfte der Menschheit myop sein
Mit dem ZEISS Myopia Management Lens Solutions steht damit ab 2018 ein Portfolio für Märkte in Asien zur Verfügung, dass speziell für Kinder im Alter von 6-12 Jahren – also dem für die Augenentwicklung entscheidenden Alter – hilft, besonders die fortschreitende Kurzsichtigkeit aktiv zu managen und ihre negativen Folgen zu mindern beziehungsweise sogar zu vermeiden. „Für beide Konzepte – die Veränderung der Abbildung auf der periphären Netzhaut wie für die Unterstützung der Nahakkommodation – gibt es wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit“, so Prof. Dr. Siegfried Wahl, Leiter des ZEISS Vision Science Labs an der Universität Tübingen. „Wir bieten beide Lösungen an, so dass für Optiker wie für junge, kurzsichtige Brillenträger und ihre Eltern je nach Präferenz und Bedürfnissen die Auswahl gegeben ist. Unverzichtbar für alle, und das gilt für Kinder in aller Welt, ist, dass sie täglich Tageslicht und handyfreie Zeit brauchen, in der sie in die Ferne schauen, damit sich ihre Augen gut entwickeln.“
Moderner Lebens- und Arbeitsstil sorgt für die Verbreitung der Kurzsichtigkeit auch in der westlichen Welt. 2050 könnte etwa die Hälfte der Menschheit, also 5 Milliarden Menschen, kurzsichtig sein2. Gründe dafür sind vor allem in der Verstädterung der Bevölkerung und der Digitalisierung zu suchen. „Erzwungene Nahtätigkeit” – also das häufige Blick auf kleine Smartphone-Screens, Lesen oder Bildschirmarbeit – ist in der Evolution des menschlichen Auges ebenso wenig vorgesehen wie die Tatsache, dass wir zuviel Zeit in Innenräumen verbringen. „Regelmäßige Sehtests, genügend bildschirmfreie Zeit und ausreichend Tageslicht an der frischen Luft sind für alle jungen und alten Menschen die beste Vorsorge“, so Wahl. „Wer viel am Bildschirm arbeitet, sollte eine speziell angepasste Bürobrille tragen und die 20-20-20-Regel beachten. Alle zwanzig Minuten für 20 Sekunden den Blick auf einen 20 Meter entfernten Gegenstand richten – also zum Beispiel aus dem Fenster schauen – hilft dem Auge zu entspannen.“
Über ZEISS
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The impact of myopia and high myopia: report oft he Jiont World Health Organization-Brien Holden Vision Institute Global Scientific Meeting on Myopia, University of New South Wales, Sydney, Australia, 16-18 March 2015 – ISBN 978-92-4-15119-3
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Dtsch Arztebl Int 2017; 114(35-36): 575-80; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0575, Lagrèze, Wolf A.; Schaeffel, Frank: Myopieprophylaxe / Preventing myopia – Schaeffel, Frank; Ziemssen, Focke, o.J., “Patienteninformation Kurzsichtigkeit (Myopie)”, https://www.medizin.uni-tuebingen.de/uktmedia/Patienten/PDF_Archiv+/Patientenbrosch%C3%BCren/Augenklinik/Patienteninformation+Kurzsichtigkeit+Schaeffel+Ziemssen.pdf – abgerufen am 28.2.2018
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3
J. Huang ea „Efficacy Comparison in 16 Interventions for Myopia Control in Children. A Network Meta-Analysis” Ophthalmology 2016; 1-12, American Academy of Ophthalmology; Walline JJ, Lindsley K ea. “Interventions to slow progression of myopia in children” Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 12
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4
Sankaridurg, P; Donovan, L. ea “Spectacle Lenses Designed to Reduce Progression of Myopia: 12 Months Results.” Optom. Vis. Sci. 2010, 87 (9), 631
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5
Mutti DO, Mitchell GL, Hayes JR, Jones LA, Moeschberger ML, Cotter SA, Kleinstein RN, Manny RE, et al.CLEERE Study Group. Accommodative lag before and after the onset of myopia. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2006 Mar;47(3):837-46.
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6
Gwizada ea., 2004 COMET Studie
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7
Hepsen IF, Evereklioglu C, Bayramlar H. The effect of reading and near-work on the development of myopia in emmetropic boys: a prospective, controlled, three-year follow-up study. Vision Res 2001;41:2511Y20
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Schilling T, Ohlendorf A, Varnas SR, Wahl S. Peripheral design of progressive addition lenses and the lag of accommodation in myopes. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2017;58:3319–3324.
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90 % der Kinder gewöhnten sich in weniger als einer Woche an die Testgläser, 50 % innerhalb eines Tages, basierend auf einer Testreihe mit n=111 kurzsichtigen Kindern, betreut von The Hong Kong Polytechnic University, Hong Kong, 2017. 92 % der Kinder gewöhnten sich in weniger al seiner Woche, 33 % davon innerhalb eines Tages in einer Testreihe mit n = 141 kurzsichtigen Kindern, betreut von Sun Yat-Sen University Vision Department of Eye Health, Guangzhou, China, 2017. Im Durchschnitt gewöhnten sich 91 % innerhalb einer Woche) und 40 % innerhalb eines Tages an die Testgläser (n = 252 myopic children, HK, China, 2017).
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91 % der Kinder sind mit dem klaren Sehen in allen Richtungen zufrieden, basierend auf einer Testreihe mit n=111 kurzsichtigen Kindern, betreut von The Hong Kong Polytechnic University, Hong Kong, 2017. 100 % der Kinder in einer Testreihe mit n = 141 kurzsichtigen Kindern, betreut von Sun Yat-Sen University Vision Department of Eye Health, Guangzhou, China, 2017. Im Durchschnitt sind 96 % (n = 252 kurzsichtige Kinder, HK, China, 2017) damit zufrieden.
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75 % der Kinder fühlen sich bei der Nutzung digitaler Geräte wohler, basierend auf einer Testreihe mit n=111 kurzsichtigen Kindern, betreut von The Hong Kong Polytechnic University, Hong Kong, 2017. 99 % in einer Testreihe mit n = 141 kurzsichtigen Kindern, betreut von Sun Yat-Sen University Vision Department of Eye Health, Guangzhou, China, 2017. Im Durchschnitt sagen 88 %, dass sie sich bei Nutzung digitaler Geräte mit den neuen Brillengläsern wohler fühlen (n = 252 kurzsichtige Kinder, HK, China, 2017).
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Brien Holden Vision Institute: Holden BA, ea., Global prevalence of myopia and high myopia and temporal trends from 2000 through 2050. Ophthalmology. 2016 Feb 11. eyeworld.org