Artikel

Die Geschichte des Gleitsichtglases

29. März 2020
The History of Progressive Lenses

Der Aufstieg Europas zur Wissenschaftsmacht ab dem 13. Jahrhundert verdankt sich wesentlich der Erfindung des Korrektionsglases, das daher auch zu den zehn wichtigsten Erfindungen der Menschheit nach Rad und Feuer gezählt wird. Korrigierte Presbyope, die länger lesen, studieren, schreiben und ihr Wissen teilen können, genießen nicht allein eine höhere Lebensqualität; sie tragen weitaus stärker auch zur Entwicklung von Wissenschaft und Kultur bei als dies ältere Menschen ohne Lesebrille konnten. Moderne Gleitsichtgläser als Mittel der Wahl zur Abhilfe bei Altersfehlsicht sind das Ergebnis jahrhundertelanger Forschung, Entwicklung, Erprobung verschiedenster Lösungen. Diese dreiteilige Serie gibt Einblicke in die Entwicklung der Gleitsichtgläser.

Altes Leiden, neue Lösung?

Vom Franklin-Bifokal zum ersten Patent für bildsprungfreie multifokale Gläser

Teil 1 dieser Serie erläutert die Entwicklung der ersten Bifokalgläser bis hin zu den ersten Gleitsichtgläsern.

Ein Ausritt mit Folgen

Eine praktikable und tragbare Sehhilfe für Presbyope erfordert diverse Zutaten, die auch in Europa nur Schritt für Schritt erkannt und erforscht wurden. Kenntnis der optischen Wirkung verschiedener „Linsen“, also gekrümmter Gläser, Verständnis für ihre Tragbarkeit und vor allem die technischen Fertigkeiten zu ihrer Herstellung sind notwendig. Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham (Alhazen) beschrieb bereits im 11. Jahrhundert optische Wirkungen gewölbter Gläser und ließ Lupen schleifen. Die Einführung optischer Korrekturgläser – nach heutigem Verständnis wohl Leselupen – ab dem 13. Jahrhundert gilt als fünftwichtigste Erfindung der Menschheit nach Rad und Feuer (1): „Lichtbrechung mittels Glas ist eine dieser simplen Ideen, deren Umsetzung seltsamerweise sehr lange brauchte“, heißt es in der Begründung. Bereits die Römer stellten Glas her, und Seneca wusste bereits im 1. Jahrhundert um die lichtbrechende Wirkung eines mit Wasser gefüllten Glases. Aber letztendlich erhöhte die Erfindung der Brille die kollektive Intelligenz drastisch. Gründe und Folgen wurden oben bereits kurz erwähnt.

Für das alte Leiden der Altersfehlsichtigkeit konnte dies aber nur ein Teil der Lösung sein. Für das dynamische Sehen musste sie, besonders aber für den notwendigen Wechsel der Sehdistanz von nah auf fern, akzeptable Korrektionseigenschaften aufweisen. Und dafür müssen optisches Wissen, Kenntnisse der Mathematik kugeliger Oberflächen und damit Designverfahren, vor allem aber Wege der Produzierbarkeit vorliegen.

Um 1770 soll Benjamin Franklin während eines Ausrittes die Idee der bifokalen Brille gekommen sein – als Franklingläser, Executives und unter anderen Namen bis heute verkauft und damit das erfolgreichste Glasdesign aller Zeiten. Bei diesen Gläsern mit Bildsprung stellte sich die Frage nach den oben genannten Voraussetzungen schlicht nicht. Die Teilung eines Nah- und eines Fernglases und das Zusammenfügen je einer Hälfte umging Probleme, die noch bis in die 1960er Jahre bildsprungfreien multifokalen Gläsern im Wege standen.

  • Eine Frage der Mathematik

    2019 wird an 60 Jahre Varilux erinnert und damit an Bernard Maitenaz, dem Ingenieur hinter dem ersten kommerzialisierten Gleitsichtglas. Doch die Idee von Brillengläsern mit unterschiedlicher Brechkraft und damit bildsprungfreien Sehzonen wurde natürlich schon Jahrzehnte vorher verfolgt, lange bevor in den 1950er und 1960er Jahren das Rennen um tragbare und produzierbare Gleitsichtgläser begann. Ein Begriff übrigens, der von Ernst Lau aus Ostberlin in seinem Patent von 1963 geprägt wurde. Im selben Jahr legte Günter Minkwitz am Institut für Optik und Spektroskopie der Akademie der Wissenschaften, ebenfalls in Ost-Berlin, die mathematischen Grundlagen für Gleitsichtgläser. Scheiterte die Umsetzung in der DDR wohl vor allem an der Produzierbarkeit, verfügten frühe Pioniere nicht über die Einsichten und Möglichkeiten des heutigen Verständnisses und der rechentechnischen Möglichkeiten zur Umsetzung von optischen Designs.

    Frühe Versuche für die Berechnung progressiver, monolithischer Gläser durch Henry Orford Gowlland, 1909, setzten die Mitteldicke des Glases auf Null. Der Mit-Erfinder der weltweit ersten punktuell abbildenden Brillengläser für dynamisches Sehen, Moritz von Rohr, beschrieb sie als „Wahlstärkengläser“ und verstand als Presbyopenbrille noch die Lesebrille beziehungsweise eine Fernbrille mit vorklappbarer Addition. „Den Zusatzlinsen gegenüber zeigen die Zweistärkengläser eine sehr fühlbare Einschränkung des Gesichtsfeldes für jede der beiden Gebrauchsmöglichkeiten. Das kann unter Umständen, z. B. beim Treppensteigen und beim Wandern auf schlechtem Wege, recht störend werden.“ (2) Ein Phänomen, das auch heute noch jeder Augenoptikerin, jedem Optometristen bekannt vorkommen dürfte. Doch spätestens mit Gowlland war die Idee eines progressiven Glases in der Welt.

    The History of Progressive Lenses

    Die Illustrationen zeigen je ein Glas gleicher Wirkung – einmal als PUNKTAL mit akzeptablem Astigmatismus, aber entsprechender Krümmung (1912), einmal als Atorus mit fast perfekter Korrektur (ab 1950er Jahre möglich). Die Verwendung von nicht-sphärischen Flächen ermöglichte erst die gleichzeitige Verbesserung der Optik und Ästhetik.

    Vergegenwärtigen wir uns den Stand des optischen Designs um 1912, des Jahres des ersten Präzisionsbrillenglases PUNKTAL, werden die Grenzen des optischen Designs und damit die Unmöglichkeit der Umsetzung Gowllands Idee deutlich. Die Schwierigkeiten adäquater Korrektur refraktiver Sehfehler für das blickende Auge mit Einstärkengläsern lassen erahnen, welche Fortschritte noch zu machen wären, bevor bildsprungfreie multifokale Gläser möglich sein würden. Die Variable zur Berechnung der optischen Korrektur bildete vor allem die Krümmung des Glases – es galt für Sammel- und Zerstreuungslinsen die jeweils optimale Durchbiegung zu berechnen. Da dies Punkt für Punkt und manuell erfolgte, ergab sich ein entsprechend hoher zeitlicher Aufwand.

    So galt auch 1934 noch: „Die mit der Verminderung der Akkommodation verbundene Verschiebung des Nahpunkts macht es für Alterssichtige in der Regel notwendig, ein Brillenglas zu tragen, das als Nah- oder Presbyopenbrille bezeichnet werden soll.“ (2) Für Jahrzehnte blieben damit Gedankenspiele um das, was später Gleitsichtglas heißen sollte, vor allem mathematisch unlösbare Probleme. Gowlland hatte Rotationsparaboloide als Gleitsichtflächen verwendet, die zu seiner Zeit durchaus herstellbar gewesen wären, ähnlich wie asphärische Katral-Gläser von ZEISS für Aphakiepatienten. Ein wichtiges Patent für herstellbare, progressive, monolithische Gläser sollte 1923 erteilt werden.

    The History of Progressive Lenses

    Die "First lady of optics"

    Ihr Werdegang war alles andere als einfach. Estelle Glancy promovierte in Astronomie an der University of California in Berkeley im Jahr 1913, musste ihre Hoffnungen, als Astronomin zu arbeiten, jedoch bald aufgeben. Edgar D. Tillyer, einer der großen Optikdesigner des 19. und 20. Jahrhunderts, entdeckte ihr Talent und brachte sie so zu American Optical (AO) nach Southbridge, Massachusetts. Ihre Erfindungen sollten bei Kameras und Fernsehbildschirmen eine große Rolle spielen. Die berühmten Tillyer-Gläser der 1920er Jahre mit verbesserten Abbildungseigenschaften bis in die Ränder beruhten vor allem auf Glancys mathematischen Berechnungen.

    The History of Progressive Lenses

    1924 reichte sie ihr Patent für progressive Brillengläser ein – ein halbes Jahrhundert bevor Gleitsicht als Alternative zu den bifokalen und trifokalen Varianten akzeptiert wurde. Die Anordnung der Zonen unterschiedlicher Brechkraft in konzentrischen Kreisen auf vergleichsweise großem Durchmesser erinnert an Gowlland. Ähnlich wie bei „dicken“ Gläsern auf Tragegläsern optisch „taube“ Bereiche beim Einschleifen abgeschnitten wurden, um Glasdicke und damit Ästhetik zu verbessern, sollte durch Zuschnitt der Gläser letztlich die Tragbarkeit verbessert werden. Zum ersten Mal kommen Mathematik, optisches Wissen und Know-how der Brillenglasherstellung für bildsprungfreie Multifokalgläser zusammen. Glancy-Gläser wurden in kleinen Stückzahlen auch produziert und verkauft, konnten sich angesichts der Kosten und der Untragbarkeit aber nicht durchsetzen.

    Eher nur für den historisch Interessierten relevante Zwischenstufen von Zweistärken-Franklin- zu Gleitsicht-Gläsern stellen multifokale „Executives“ dar – mit bis zu sieben Sehzonen, die aber als Trifokale kommerzielle Bedeutung erlangten. Die mittlere Sehzone als wesentliches Merkmal eines Gleitsichtglases ist in den Ideen für progressive Linsen vor Maitenaz nicht gelöst.

    Glancys Erfindung betrachtete die Optik immer nur in Meridionalschnitten, nicht über die Fläche hinweg. Gleiches gilt entsprechend für Gowlland. Praktisch bedeutete dies, dass Glancys Glas im senkrechten Schnitt unterhalb des Glasmittelpunkts nur eine konstante Krümmung aufwies, senkrecht dazu änderten sich die Krümmungen und induzierten damit ansteigenden Astigmatismus. Eine fehlerfreie Progressionszone im Sinne von Maitenaz (praktisch) oder Minkwitz (theoretisch) war damit nicht gegeben.

    Die höchste Hürde für Gleitsichtgläser?

    Eine Reise durch die Geschichte der Versuche über die Jahrhunderte, eine tragbare, verträgliche und komfortable Lösung für Presbyope zu finden, lehrt, welche Faktoren erfüllt sein mussten, bevor Gleitsichtgläser ihren Siegeszug unter den Altersfehlsichtigen antreten konnten. Je bequemer und optisch anspruchsvoller die Lösungen auch gestaltet werden konnten - die emotionalen Hürden von „Presbyopenbrillen“ begleiteten sie alle. Trotz unvergleichlich besserer, individuell optimierbarer optischer Korrektion, geringer Dicke und geschätzter Ästhetik erfordern Gleitsichtgläser Gewöhnung und Akzeptanz durch den Brillenträger. Mit dem Tragen dieser Brillen geht die Umgewöhnung des Sehverhaltens einher, aber eben auch die Akzeptanz des Älterseins. Die Vorteile - Korrektion über alle Distanzen in einer Ganztagsbrille ohne äußerlich sichtbares Nahteil - haben über mehr als 100 Jahre immer wieder Wissenschaftler, Ingenieure und Augenoptiker motiviert, die Entwicklung progressiver Gläser voranzutreiben.

    JFK – noch ohne Brille – auf einer Reise durch seinen Wahlkreis in Massachusetts, 1958.

    Prominentes Beispiel dieser notwendigen Phase der Akzeptanz: John F. Kennedy, 35. Präsident der Vereinigten Staaten. Die Kennedys mit ihrer Vorliebe für Moden trugen viel zur Verbreitung von Sonnenbrillen bei, bestellten zum Beispiel noch im Sommer 1963 Sonnenbrillen für die beiden Kinder (mit pflaumenblauen Linsen ohne optische Wirkung). Doch JFK behalf sich mit einer Lesebrille und vermied das Tragen einer Brille in der Öffentlichkeit. Während der Refraktion anlässlich des jährlichen Gesundheitschecks wurde ihm eine neue Lesebrille verschrieben und eine "Executive" bifokal (mit Addition +1.00 und plano im Fernbereich) gezeigt – ein Tillyer-Glancy-Design. Wenige Tage später ließ er drei Paar dieser Brillen bestellen. Tragischerweise fiel John F. Kennedy in Dallas einem Attentat zum Opfer - an dem Tag, an dem die Executives geliefert wurden.
    Unabhängig von der Wahl bifokaler Gläser mit Bildsprung, die seiner Zeit dem populären Geschmack entsprach, illustriert dieses Geschichte ein Hürde für die Verbreitung von Gleitsichtgläsern bis heute, die nicht zu unterschätzen ist: die emotionale Akzeptanz durch die Presbyopen.

    Fotos: Estelle Glancy und John F. Kennedy, 1958 in Southbridge, mit freundlicher Genehmigung Optical Heritage Museum, Southbridge, Massachusetts.

Eine Idee wird Wirklichkeit

Der Wettlauf um die ersten kommerziellen Gleitsichtgläser

Im ersten Teil wurde geschildert, wie lange die Idee eines Brillenglases mit „gleitender Dioptrienzahl“ bereits zirkulierte, aber auch, dass bis weit ins 20. Jahrhundert Bifokalgläser das Mittel der Wahl für Presbyope blieben. Denn für tragbare Progressionsgläser waren und sind Innovationen auf drei Gebieten notwendig: optisches Design, Fertigung und Akzeptanz durch Brillenträger. In den 1950er Jahren beginnt der Wettlauf um das erste Gleitsichtglas erneut – diesmal zwischen Paris und Ostberlin.

2019 werden 60 Jahre „Varilux“ - das erste kommerziell erfolgreiche Gleitsichtglas - gefeiert. Bernhard Maitenaz, von Haus aus Ingenieur, hatte zu recht von Beginn an die Fertigungsverfahren mitbedacht, als er seine Idee eines Glases entwickelte, das gleitendes Sehen in allen Entfernungen ermöglichte. Die 1950er und 1960er Jahre sind damit die Zeit, in der, anfangs noch kommerziell unterschätzt, Gleitsichtgläser design-, kalkulier- und herstellbar wurden. Kontinuierliche Verbesserungen und Durchbrüche wie die Horizontalsymmetrie für wesentlich verbesserte Tragbarkeit prägen die Entwicklungen bis in die 1980er Jahre.

Maitenaz‘ Motivation, eine überlegene Alternative zu Bifokalen zu schaffen, teilten auch Wissenschaftler in Ostberlin. Und so arbeiten ein Ingenieur an der Seine wie Physiker und Mathematiker an der Spree an der Lösung der drei mit progressiven Gläsern verbundenen Problemfelder. Anhand eines typischen Beispiels aus den 1950er Jahren lässt sich vielleicht ersehen, warum es eben kein Optiker wie Owen Aves (1907) oder keine Optikdesignerin wie Estelle Glancy (1924) waren, denen letztlich der Durchbruch gelang.

  • Gleitsichtglas und Minkwitz-Theorem

    Anlässlich des Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft 1956 kontaktierte ein Leipziger Augenoptiker ZEISS in Jena und in Oberkochen, aber auch Rodenstock in München mit seiner Idee für „Brillengläser mit gleitender Dioptrienzahl“. Richtig erkennt er, dass sein Glas mit unterem sphärischen Nahteil und gleitenden Radien zum oberen asphärischen Fernteil an „unzureichenden Fertigungsmitteln“ scheitern könne. Interessanter sind die Ablehnungsgründe der deutschen Glashersteller. Man ist sich sicher, dass die „grundsätzlichen Nachteile solcher Gläser“, sprich Astigmatismus, nicht behoben werden könnten. Vor allem aber sei der Vorteil für Brillenträger „mehr als zweifelhaft.“ Der ungebrochene Erfolg von Gleitsichtgläsern seit Einführung von Varilux sollte indes hinsichtlich des Kundenbedarfs alle Hersteller eines Besseren belehren.
    Die Frage des Astigmatismus löste eine Ostberliner Gruppe, die ebenfalls an „unzureichenden Fertigungsmitteln“ der volkseigenen Industrie der DDR scheitern sollte.

    Bernard Maitenaz‘ Patent von 1959 umfasst eben auch die Frage der Herstellbarkeit asphärischer Gläser mit „gleitender Dioptrienzahl“

    Am Institut für Optik und Spektoskopie der Deutschen Akademie der Wissenschaften begannen 1953 Ernst Lau und Rolf Riekher, unzufrieden mit Bifokalgläsern, mit der Arbeit an „Brillengläsern mit gleitender Dioptriezahl“. Mit rotationssymmetrischen asphärischen Gläsern, die thermisch hergestellt wurden, konnten sie Testpersonen überzeugen. Die Herstellung in Jena wurde nichtsdestotrotz später aufgegeben. Ihr Patent von 1959 verwendete erstmals „gleitende Dioptriezahl“ anstelle von multifokal zur Bezeichnung dieser neuen Art von Gläsern.

    Eine Konsequenz aus dem “Satz von Minkwitz” ist, dass der maximale Astigmatismus im Glas proportional zur Addition zunimmt. Die praktische Folge, die Addition so gering wie möglich zu wählen, kennt jede Augenoptikerin, jeder Augenoptiker.

    Zweite Folgerung von Minkwitz ist, dass kürzere Progressionskorridore größeren Astigmatismus beziehungsweise kleinere Sehzonen bedingen. Kurze Progressionslängen – gerade für schmalere Brillenfassungen, sollten die Optikdesigner noch vor Herausforderungen stellen. Diese Astigmatismusdarstellungen wurden übrigens erstmals in den 1970er Jahren in den USA eingesetzt, da dort vergleichende Werbung erlaubt war und neue Designs entsprechend im Vergleich zu Konkurrenzprodukten promotet wurden.

    Bis Anfang der 1980er Jahre stieg der Anteil von Varilux an den verkauften Multifokalgläsern auch in Deutschland deutlich an. Rodenstock und ZEISS brachten eigene Gleitsichtgläser auf den Markt, die Bedenken hinsichtlich der Verbraucherakzeptanz waren überwunden. Die Konstruktion und Herstellung bedienten sich des einfachen Prinzips der zunehmenden Flächenkrümmung von oben nach unten. Das führte zu massiven Flächenastigmatismen seitlich der Progressionszone und damit hohen Unverträglichkeitsraten aller verfügbaren Gleitsichtgläser.

    Aus dieser Zeit, den 1970er Jahren, stammt eine Unterscheidung zwischen „weichen“ und „harten“ Flächendesigns, die allerdings heute kaum noch zur Charakterisierung von Gleitsichtglasdesigns tauglich ist. Die Kennzeichnungen bezogen sich auf die Verteilung des Astigmatismus, den man nicht prinzipiell vermeiden, aber reduzieren und vor allem verschieden verteilen konnte. Bei „weichen“ Designs wird der Astigmatismus bis in die Nah- und Fernbereiche gezogen, das vermeidet relativ plötzliche Unschärfen für das sich bewegende Auge bei Seitenblicken. Bei „harten“ Designs werden die Sehzonen größer gezogen, dafür steigt zum Rand der Astigmatismus stärker an.

    Symmetrie? Aber bitte horizontal

    Ein Konstruktionsprinzip von Gleitsichtgläsern der ersten Jahrzehnte beeinträchtigte das Wohlbefinden der Brillenträger besonders: die Symmetrie des rechten und des linken Glases. Das heißt, beide Gläser wurden symmetrisch hergestellt. Beim Einschleifen wurden sie dann um neun bis zehn Grad verdreht, um die Nahzonen mit der Vergenz beim Lesen in Einklang zu bringen. Da zudem die Addition in gerader Linie („Nabelpunktlinie“) vom Fernreferenzpunkt aus gesehen angeordnet war, ergab sich bei seitlichem Blick ein eingeschränktes binokulares Sehen.

    Symmetrische vs. Asymmetrische Gleitsichtgläser

    Die 1983 von ZEISS eingeführten Gradal HS Gläser boten erstmals die sogenannte Horizontalsymmetrie, für deren Berechnung und Fertigung die notwendige asymmetrische Vorgehensweise angewendet wurde. Erstmals wurden rechtes und linkes Glas separat und damit unterschiedlich berechnet, um die Sehzonen bei binokularem Sehen horizontalsymmetrisch zu bieten. Mit dieser optimierten Korrektur für beide Augen in allen Blickrichtungen steigt die Verträglichkeit deutlich.

    Gradal HS Werbung von ZEISS aus den 1980er Jahren. Multifokal-, Mehrstärken- oder Vielstärkenglas? Durchgesetzt hat sich das Gleitsichtglas.

    Die Innovationsgeschichte bei Gleitsichtgläsern hatte erst begonnen

    Mit der Lösung der fundamentalen Herausforderungen in Design und Herstellung sowie bei der Popularisierung von Gleitsichtgläsern als Sehkorrektion erster Wahl für Presbyope hatte ein „altes Leiden“ eine zeitgemäße Antwort gefunden. Die augenoptische Industrie hatte wieder einmal eindrucksvoll ein Vorurteil widerlegt, das seit den 1920er Jahren gehegt wurde: dass Brillengläser „ausentwickelt“ und bahnbrechende Fortschritte nicht mehr zu erwarten seien.

    Der Einsatz von Computern, die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten, besonders in der Fertigung mit dem Einzug der Freiformtechnologie, sollten in den nächsten Jahrzehnten zu zahlreichen Innovationen auch bei Gleitsichtgläsern führen. Vor allem werden ab Ende der 1990er Jahre individualisierte Gläser, funktionale Zusatznutzen und eine Fülle an Optionen den Gleitsichtglasmarkt prägen. Damit gehen Vorteile für Brillenträger einher, die für Maitenaz, Lau und andere Designer der 1950er bis 1980er Jahre nicht erreichbar waren. Und: Innovationszyklen werden sich mit der Digitalisierung drastisch verkürzen. Konnte die Geschichte von Präzisions- und Gleitsichtgläsern der ersten 90 Jahre in Zehn-Jahres-Schritten erzählt werden, folgen die Neuerungen, Erfindungen und Durchbrüche nach 2000 in deutlich kürzeren Abständen.

Die Fülle der Möglichkeiten

Die ersten beiden Teile dieses Artikels verfolgten die Jahrzehnte währende Suche nach optisch und fertigungstechnisch praktikablen Brillengläsern für Alterssichtige - bis hin zum Durchbruch mit Varilux, den Fortschritten für höheren Komfort und einfache Adaption und der kommerziellen Dominanz von Gleitsichtgläsern im Markt für Presbyopen-Brillen. Der Dreiklang der grundsätzlichen Herausforderungen in diesem Segment prägt auch die Entwicklungen im 21. Jahrhundert: Erst mit neuem optischen Design, bahnbrechenden Herstellungsverfahren und Innovationen für überlegenen Verbrauchernutzen entstehen erfolgreiche Gleitsichtgläser.
Nach Einführung der Horizontalsymmetrie im Design von Gleitsichtgläsern werden regelmäßig Neuerungen vorgestellt. So folgen seit den späten 1980er Jahren etwa Designs mit kurzer Progressionslänge, mit denen auf veränderte Vorlieben bei Brillenfassungen reagiert wurde.

Das neue Jahrtausend beginnt mit einem Epochenwechsel in der Kalkulation und Fertigung von Rezeptgläsern: eine neue Fertigungstechnologie löst nach 200 Jahren die konventionelle Fertigung mit Schleifspindeln und Polierschalen ab. Die fundamentale Innovation, die besonders die Entwicklung der Gleitsichtgläser nachhaltig verändert, ist die Einführung der Freiformtechnologie seit 2000. Damit verbunden sind Effizienzgewinne der Fertigung, vor allem aber eröffnet sich die Möglichkeit der Individualisierung von Glasdesigns und damit Brillengläsern. Augenoptiker können ihren Kunden für ein natürliches, individuell optimales Sehen jetzt mehr bieten, als lediglich ein passendes Glas auf Basis der objektiven und subjektiven Refraktionswerte sowie des Einsatzgebietes zu empfehlen. Mit der Freiformtechnologie lassen sich Einstärken- und Gleitsichtgläser maßschneidern. Das hat Auswirkungen auf alle relevanten Aspekte der augenoptischen Praxis: Seh-Analyse, Refraktion, Beratung, Verträglichkeit, Verbrauchernutzen – und eröffnet eine Fülle der Möglichkeiten.

  • Mit Freiform flexibler, individueller, modischer

    Zur Bewertung dieser technologischen Revolution ist es wichtig zu wissen, dass damit ein Paradigmenwechsel verbunden ist. Bei allen Glasdesigns gingen die Hersteller davon aus, das Glas optisch zu perfektionieren, Astigmatismus zu reduzieren, Sehzonen zu verbreitern und an Anwendungen beziehungsweise Fassungsmoden anzupassen.

    Mit Freiform wird der Prozess gleichsam vom Kopf auf die Füsse gestellt. Bestimmend ist nicht mehr das Design, sondern der Punkt für Punkt kalkulierte Korrektionsbedarf des Brillenträgers. Am Anfang steht jetzt die individuelle Rezeptverschreibung, welche mit einem Glasdesign kombiniert wird. Das Design wird so individuell angepasst, die für die Fertigung notwendigen Daten werden pro Glas gerechnet. Wenn heute bei „Industrie 4.0“ mit Losgröße 1 in der Fertigung kalkuliert wird, so gilt dies in der modernen Rezeptfertigung bereits seit zwanzig Jahren.

    Die „Punkt-für-Punkt“-Kalkulation moderner Freiform-Gleitsichtgläser in der schematischen Darstellung, inklusive der im Halbfabrikat bereits vorgegebenen Basiskurve (Daryll Meister, ZEISS; 2006).

    Darüber hinaus limitierte die Verfügbarkeit von Schleif- und Polierwerkzeugen das Angebot an Glasdesigns. Für ein neues Glasportfolio waren nicht nur hunderte bzw. tausende Gläser zu berechnen, sondern auch die Werkzeuge herzustellen, deren Zahl schnell in die Zehntausende gehen konnte. Entsprechend viel Zeit nahmen die Vorbereitung, das Design und die Werkzeugherstellung bei neuen Glastypen in Anspruch. Bei Freiformgläsern sind vor allem die Optikdesigner, Technologen und IT-Experten gefragt, um Innovationen in die Produktion überführen zu können. Mit der Freiformtechnologie werden damit Innovationszyklen signifikant beschleunigt – eine Tatsache, die sich etwa an den regelmäßigen Ankündigungen neuer Gleitsichtgläser durch die Hersteller ablesen lässt.

    Mit der Entwicklung der Glasformen von sphärisch zu Freiform geht eine deutliche Zunahme der Korrektionsmöglichkeiten einher (Schneider, 2002).

    In den vergangenen zehn Jahren haben sich Refraktionstechniken, Herstellungsverfahren, optische Designs, aber auch Ansprüche der Verbraucher an die Leistungsfähigkeit von Brillengläsern signifikant verändert. Die Flexibilität, Individualität und die Spontanverträglichkeit von Brillengläsern sind heute so groß wie nie zuvor. Technologie und persönliche Bedürfnisse, Sehkomfort und Vorlieben, modische Trends und die Digitalisierung treiben die Entwicklung voran.

    Potenziale erkunden

    Seit 2000 ist die Freiformtechnologie zur präzisen, flexiblen und individuell berechneten Bearbeitung optischer Oberflächen für die Brillenglasfertigung im Einsatz. Von den Basistypen – mit Kombination von vorgefertigter Progression der Basiskurve auf der Vorderseite, sphärisch oder asphärischer Rückseite mit torischer oder atorischer Form – hat sich vor allem das ZEISS Patent durchgesetzt. Mit sphärischer Vorderseite als Basiskurve und Freiformfläche auf der Rückseite. Die Vorteile liegen in der Fertigung – das Glas wird nur auf einer Seite bearbeitet, was kürzere Prozesszeiten und weniger Fehleranfälligkeit mit sich bringt. Der Vorteil liegt aber vor allem in der Sehkorrektion und der Ästhetik des Brillenglases: Die optische Qualität ist optimiert, die ebenmäßige Vorderseite spricht ästhetisch an.

    Neue Parameter wurden berücksichtigt, die Verträglichkeit deutlich verbessert. Neben den technologischen Möglichkeiten spielen immer auch modische Bedürfnisse eine entscheidende Rolle. Bei Gradal Short I (2003) etwa ist die Progressionszone um 20 Prozent gegenüber Gradal Individual bzw. um 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Gleitsichtgläsern verkürzt. Für die damals sehr gefragten schmalen Fassungen mit nur 16 Millimetern Anpasshöhe die optimale Lösung.

    Für die Anpassung an das persönliche Sehprofil und das Auge sind bei individualisierten Gleitsichtgläsern die Zentrierdaten – Sitz der Gläser in der Fassung und im Verhältnis zu Physiognomie und Auge – sowie die präzise Berücksichtigung der Objektabstände für Nah- bis Fernzone wichtig. Videogestützte Zentrierdatenerfassung wurde bereits 1992 eingeführt, heute ist digitale 3D-Zentrierdatenerfassung möglich, welche alle notwendigen Daten für eine maßgeschneiderte Anpassung von Brillenfassung und -glas liefern.

    Kombiniert werden die Fortschritte bei der Brillenanpassung durch Innovationen der objektiven und subjektiven Refraktion. Prozessbedingt sind bei der subjektiven Refraktion Messschritte von 0.25 Dioptrien gesetzt. Die Bestimmung des Startpunktes der Sehkraftbestimmung hängt sehr von der Erfahrung des Optikers, der Tagesform des Konsumenten ab. Mit der objektiven Vermessungsmethode ist dieses Problem gelöst. Doch der i.Profiler von ZEISS zum Beispiel liefert vor allem eine Vielzahl an individuellen Daten. Mit der Wellenfronttechnologie werden bis zu 1.500 Messpunkte pro Auge berücksichtigt. Die Anpassung des Brillenglases an Sehfehler höherer Ordnung, die Vermessung bei unterschiedlichen Pupillenweiten zur Simulation des Dämmerungs- und Nachtsehens führen zu deutlich komplexeren, aber eben auch optisch optimierten, verträglicheren Brillengläsern, die um ein Vielfaches stärker an persönliche Bedürfnisse und Sehprofile adaptiert werden können. Seit Einführung der Horizontalsymmetrie 1983 und der Individual-Gleitsichtgläser 2000 ist damit eine neue Stufe der Entwicklung erreicht.

    Carl Zeiss und Ernst Abbe konnten ihre revolutionären optischen Instrumente erst vervollkommnen, als Otto Schott optische Gläser entwickelte, deren Eigenschaften gezielt beeinflusst werden konnten. Dieses Grundprinzip bestimmt auch die Brillenglasindustrie. Neue Kunststoffe mit verbesserten Materialeigenschaften spielen eine zentrale Rolle und wären ein eigenes Kapitel wert. Die Durchsetzung von Kunststoffen mit Brechungsindex 1.74 mögen hier als Beispiele genügen.

    Adaptionen für Auge, Physiognomie, Fassungen, Lifestyle ….

    Mit der objektiven Refraktion und neuen Gleitsichtglasdesigns gelang die Perfektionierung der Anpassung des Brillenglases an das menschliche Auge und Sehvermögen. Die nächste Stufe betrifft die Verbesserung des Zusammenspiels Fassung-Brillenglas-Auge. Auch dies ist ein eigentlich altes Problem, das zuerst 1933 mit Perivist-Fassungen von ZEISS gelöst wurde, die einen verrutschsicheren Sitz des Glases mit der Anpassung der Fassung an die menschliche Anatomie möglich machten.

    2006 ist das Jahr, in dem ZEISS erstmals flexible Progressionslängen anbietet. In frei wählbaren Schritten von zehntel Millimetern kann die Korridorlänge variabel gewählt werden. War bis dahin die Entscheidung zur Progressionslänge ein Kompromiss, der auf der Wahl zwischen wenigen Optionen und Fassungsgröße basieren musste, ließ sich das Gleitsichtglas nun quasi stufenlos und präzise an alle gängigen Fassungsgrößen anpassen.

    Dem modischen Freiraum folgt in den nächsten Jahren die Vielfalt an Optionen für die Auswahl der zum Lebens- und Arbeitsstil passenden Gleitsichtbrille. Spezielle Designs für Computer- und Büroarbeit antworten auf die Anforderungen, die hier an das menschliche Sehen gestellt werden. Die bevorzugten persönlichen Sehdistanzen werden zum Beispiel auf den Zentimeter genau für Bildschirm, Büro und mittlere Sicht gemessen und im Brillenglas bei der Optimierung der optischen Eigenschaften berücksichtigt.

    Mit der Berücksichtigung von Abbildungsfehlern höherer Ordnung, der individuellen Physiognomie, des Alters, lebensstilbezogener Faktoren wie Autofahren, Büroarbeit oder Smartphone-Nutzung, von Fassungspräferenzen sind bei weitem nicht alle Faktoren aufgezählt, die heute bei individuellen Gleitsichtgläsern herangezogen werden.

    Diese Entwicklung ist nicht allein aus augenoptischen oder designtechnischen Gründen interessant. Immer stärker spielen gesundheitliche Aspekte hinein. Das Bedürfnis nach entspanntem und ermüdungsfreiem Sehen gehört mittlerweile zum Kanon der Selbstverständlichkeiten. Gesundheitsrelevante Anforderungen an die Leistungsfähigkeit moderner Präzisionsbrillengläser werden immer entwicklungsentscheidender, je stärker das Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten vor allem in etablierten Märkten zunimmt. Der Mehrwert, den ein Gleitsichtglas zu bieten hat, wird damit auch an Faktoren gemessen, die dem klassischen optischen Design fremd waren.

    Beschichtung für Beständigkeit und Stil

    Ohne Hightech-Beschichtung kein Brillenglas: Auch über der optischen Oberfläche finden neue Technologien statt. Kratzfestigkeit, Klarheit, einfache Reinigung: Standard für moderne Brillenglasbeschichtungen, die heute aus bis zu neun hauchdünnen Schichten aufgedampfter Metalloxide bestehen.

    Das Verfahren, 1935 erstmals für Ferngläser eingesetzt und seit 1959 für Brillengläser verfügbar, ist prinzipiell unverändert. Neu sind die Leistungsmerkmale, die für Konsumenten vor allem Bequemlichkeit, zusätzliche Funktionalität und Haltbarkeit des Produkts bedeuten. Denn moderne Gleitsichtgläser sind heute nicht einfach ein Produkt - die Fülle der Möglichkeiten geht über eine bloße Sehkorrektion hinaus. Wenn wir die modische Vielfalt wie Gesundheitsbewusstsein als Entwicklungstreiber für Glasinnovationen beschreiben, gilt dies natürlich auch für Beschichtungen, Verspiegelungen oder Reflexfarben. Diese bedienen ästhetische Bedürfnisse, tragen aber zunehmend entscheidend zum Mehrwert von Gleitsichtgläsern für die Verbraucher bei.

    Beschichtungen etwa zur Reduktion der Anteile blauen Lichts von künstlichen Quellen, die manche im Verdacht sehen, das Auge zu schädigen, sind die Antwort auf gesundheitsrelevante Forderungen. Wie immer man selbst die Risiken einschätzt, gehören solche Features zum „Baukasten Gleitsichtglas“ heute unverzichtbar dazu. Bei „Autofahrergläsern“ trägt die Reduktion des für moderne Scheinwerfer typischen Blaulicht-Peaks durch eine Beschichtung zu weniger psychologischer Blendung durch entgegenkommende Fahrzeuge bei – auch für Presbyope ein wichtiger Produktvorteil.

    Gleitsichtgläser für die moderne Welt

    Mit Computerbildschirmen, Smartphones und eReaders sind Geräte unverzichtbarer Bestandteil des Alltags geworden, die für das menschliche Sehen vor allem eins bedeuten: Stress, eventuelle gesundheitliche Risiken und ungewohnte Sehbedingungen. Andere Leseabstände, Mühe mit kleinen Schriften, schnelle und häufige Blickwechsel, unnatürliche Lichtzusammensetzungen mit Auswirkungen auf Schlaf-Wach-Rhythmus und Stoffwechsel – wie andere Hersteller adressiert ZEISS diese Veränderungen mit neuen Brillenglasdesigns für die digitale Welt.

    Doch anders als bei manchen Technologien der Vergangenheit ist die Adaption von Gleitsichtgläsern an die speziellen und spürbaren Herausforderungen intensiver Nutzung digitaler Geräte keine Option mehr, die der Kunde wählt oder nicht. Altersunabhängig ist ab Mitte 30 jeder Mensch diesen Belastungen ausgesetzt, und Features für Sehen in der digitalen Welt werden Standard wie Beschichtungen oder individuelle Progressionslängen.

    Gleitsichtgläser kommen verstärkt auch für Prä-Presbyope zum Einsatz, die noch nicht im typischen Gleitsichtalter sind, aber gerade bei intensiver Smartphone-Nutzung das Sehen mit einer kleinen Addition ab 0,5 Dioptrien im Brillenglas als entspannend, hilfreich und gesundheitsfördernd erleben. Als "gefühlte Einstärkengläser sind zum Beispiel ZEISS Digital Brillengläser bei 35-45-jährigen populär. Sie können ohne Eingewöhnungszeit getragen werden, bieten Unterstützung beim Nahsehen besonders im typischen 30-35-Zentimeter-Bereich der Generation Smartphone und sind über die Jahre eine gute Eingewöhnung in den späteren Umstieg zu Gleitsichtgläsern mit einer Addition über 1-1,5 Dioptrien.

    Ohne präzise Zentrierung entfalten Gleitsichtgläser nicht ihre volle Leistungsfähigkeit

    Ansprüche an Optiker steigen

    Es sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt, kann aber aus Platzgründen nicht angemessen ausgeführt werden: Der Erfolg moderner Freiformgleitsichtgläser hängt entscheidend von der Professionalität des Augenoptikers ab. Der Service des Augenoptikers ist für passende und individuell optimale Gleitsichtbrillen unverzichtbar.

    Beispielhaft seien erwähnt: Die Datenerfassung mittels Anamnese sowie die objektive und subjektive Refraktion liefern die Basis für die individuell kalkulierten Gläser. Da Freiformrechnungen ohne Parameter zu Sitz des Glases und der Fassung nicht denkbar sind, ist die digitale Zentrierdatenerfassung heute Goldstandard. Und natürlich ist besondere Sorgfalt bei Fassungsberatung für den Kunden sowie beim Einschleifen notwendig.

    Mehr Optionen oder neue Klarheit?

    Alle führenden Hersteller nutzen Freiformtechnologie und haben in den letzten 20 bis 25 Jahren eigene Design-Philosophien herausgebildet. Die Produktionstechnik mag gleich sein, die Auswahl an Materialien begrenzt – aber die Designs und Glasoptionen unterscheiden sich bei Markengläsern deutlich. ZEISS setzt beim Design auf Perfektion für modernen, digitalen Lebensstil und die Individualisierung jedes einzelnen Glases, je nachdem, was der Brillenträger für optimale Korrektion braucht und welche Präferenzen er bzw. sie für bestes Sehen hat. Die jüngste Innovation ist ZEISS SmartLife – ein komplettes Portfolio für jedes Alter und jeden Bedarf.

    Eine Beobachtung des Wettbewerbs und der marktgängigen Angebote führt zur Frage, welche Trends die Zukunft bestimmen werden. Gleitsichtgläser für Linkshänder, Autofahrer, Smartphone-Nutzer, Vielleser, Büroarbeiter, Golfspieler und viele Varianten mehr sind verfügbar. Die Fülle der beworbenen Technologien ist ein weiterer Indikator dafür, dass die Möglichkeiten der Freiformtechnologie und des digitalen Brillenglasdesigns noch lange nicht ausgeschöpft sind. Doch helfen noch mehr Technologien, noch mehr neue Features und Leistungsmerkmale dem Augenoptiker und dem Konsumenten? Oder ist es immer schwieriger, noch einen Überblick über die Gleitsichtglasportfolios zu gewinnen? Und damit immer schwieriger für den Optiker, gut zu beraten und klare, individuelle Empfehlungen zu geben. Und für den Konsumenten wird es unnötig erschwert, eine informierte Entscheidung für seine, ihre besten Gläser zu treffen. Soll im Gleitsichtglasdesign alles verwirklicht werden, was augenoptisch und technisch machbar ist?

    ZEISS hat sich entschieden, das gesamte Gleitsichtglasportfolio bedarfs- und bedürfnisorientiert zu gestalten. Technologien und innovative Leistungsmerkmale werden ins Brillenglasdesign integriert, wenn sie dem Verbraucher einen klaren, spürbaren Nutzen bringen, den Augenoptiker in seiner Beratung und im Verkauf unterstützen und wenn es ein Marktpotenzial dafür gibt. Wie auch immer Glashersteller ihre Innovationspolitik ausrichten, grundsätzliche Trends bleiben aber intakt und bestimmend: Individualisierung, Digitalisierung, die Anpassung von Glasdesigns an modische und gesundheitliche Anforderungen sowie der Bedarf, maßgeschneiderte Gleitsichtgläser für individuelle Lebens- und Arbeitsweisen anzubieten.

Pressekontakt Miriam Kapsegger

ZEISS Vision Care


Teilen auf