Stolze Sehleistung
Über die Höchstleistung des Auges und darüber, welchen signifikanten Einfluss das Smartphone auf unser Blickverhalten hat.
Ohne digitale Geräte geht heute nichts mehr – insbesondere das Smartphone ist unser ständiger Begleiter, drinnen wie draußen. Gerade unterwegs scheint es, als blickten wir die meiste Zeit gebannt auf die leuchtenden 90 Quadratzentimeter in unseren Händen und höben unsere Augen nur noch selten, um kurz die Außenwelt zu prüfen.
Kleine Geschichte unseres Blickverhaltens
Aber ob nun mit oder ohne Smartphone in der Hand – unsere Augen finden einfach keine Ruhe. In Unterhaltungen kann man die permanenten Bewegungen der Augen des Gegenübers bemerken, und es wird klar: Sehen ist ein hochaktiver Prozess. Dabei gibt es drei typische Augenbewegungen: Die sogenannten Sakkaden – extrem schnelle Bewegungen im Millisekunden-Bereich, die ständig und bewusst wie unbewusst stattfinden. Sie geschehen reflexartig oder dienen dazu, einen neuen Fixationspunkt anzuvisieren – also die Augen kurz auf einen neuen, interessanten Punkt im Raum zu richten. Dann gibt es die sogenannten Fixationsphasen, in denen wir meist bestimmten Objekten unsere direkte Aufmerksamkeit widmen. Hier kommt es auch zur Drift, einem langsamen Wandern des Auges. Die dritte typische Augenbewegung ist das Verfolgen bewegter Objekte.
Bei allen drei Phasen des Sehens beweist sich die Leistungsstärke der Augenmuskeln, denn sie schaffen es gleichermaßen, extrem schnelle Bewegungen zu erzeugen wie ein bewegtes Objekt konzentriert zu verfolgen. Diese Muskeln können wir nicht trainieren, müssen das aber auch gar nicht. Die Sakkaden zum Beispiel geschehen ständig – die Muskeln sind also immer aktiv, auch im Dunkeln!
Alles (auch) Kopfsache!
Neben dem Auge spielt der Kopf eine wichtige Rolle für das Sehen. Denn Kopfneigung und -drehung entscheiden mit, wohin wir unseren Blick und unsere Aufmerksamkeit richten. Es gibt Situationen, in denen wir zunächst nur die Augen bewegen und dann entweder gar nicht oder erst später den Kopf nachziehen.
Eine gängige Methode zur Untersuchung des Blickverhaltens ist das Eye Tracking, mit dem sich genau nachverfolgen lässt, wohin jemand schaut und worauf er in bestimmten Situationen besonders achtet. Für die Brillenglasentwicklung beispielsweise ist dieses Eye Tracking elementar aufschlussreich.
Für die Wahrnehmung der Welt ist auch die Verarbeitung der visuellen Informationen im Gehirn zentral.
Wir untersuchen den Sehprozess mit Hilfe der Psychophysik – wir vermessen also die Wahrnehmung. Dabei kontrollieren wir im Versuchsaufbau, welche visuellen Informationen gezeigt werden, stellen den Probanden dann binäre Fragen (zum Beispiel ob er Objekt X gesehen hat oder nicht) und schließen daraus auf den Sehprozess. Das setzen wir in Verbindung mit bestehenden Forschungsergebnissen und gelangen so zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Bedeutung des Smartphones für unsere Augen
Ständig unterwegs zu sein, immer auf dem Sprung, viele Dinge zur gleichen Zeit zu tun, bedeutet für unsere Augen nur bedingt mehr Bewegungen, denn die Sakkaden beispielsweise finden weiterhin ständig statt, auch bei Fixation. Aber man muss natürlich die Aufmerksamkeit gezielter steuern, wenn viele Informationen vorhanden sind und wir diese auch noch in Bewegung aufnehmen. Das ist eine kognitive Mehrleistung. Und was ganz sicher passiert, ist, dass sich unsere Blicke anders verteilen und dass das Auge viel akkommodieren, also scharfstellen muss. Wenn man zum Beispiel mit dem Handy in der Hand durch eine belebte Straße läuft, die S-Bahn erreichen will, an Menschen und Autos vorbeimuss, dann muss für eine sichere Bewegung vieles wahrgenommen werden. Und zwar vieles, das sich in unterschiedlicher Entfernung befindet und trotzdem unserer vollen Aufmerksamkeit bedarf. Das ist eine hohe Mehrleistung für die Augenlinse. Manches wird gezielt wahrgenommen, durch direktes Hinsehen und Scharfstellen, anderes nur peripher – "aus dem Augenwinkel", wie der Volksmund sagt. Manchmal stellt man nur seine Augen kurz auf das interessante Objekt, ein anderes Mal wird der Kopf mitbewegt und das Objekt fixiert. Das ist natürlich ein großer Unterschied zu einer Situation, in der man in Ruhe ein Buch liest oder eine Unterhaltung an einem ruhigen Ort führt – ohne nebenbei noch auf das Smartphone zu schauen.
Blickrichtung abwärts
Stellt man sich die Frage, ob das Smartphone das menschliche Blickverhalten verändert hat, lautet die Antwort: definitiv ja! Das konnten wir auch anhand einer Eye-Tracking-Studie nachweisen. Diese zeigt, dass das Smartphone durch seine Anwesenheit in drei verschiedenen Situationen – einem Gespräch, Computerarbeit und in Bewegung – deutlich das Blickverhalten verändert. Der Blick variiert signifikanter in der Höhe. Wir richten unsere Blicke zwar immer noch viel geradeaus und auch ähnlich viel in die Peripherie, also nach rechts und links. Aber es häufen sich nun eben überzufällig Blickrichtungen, die wir vorher kaum genutzt haben, vornehmlich der Blick nach unten. Das bedeutet unter anderem, dass wir den Kopf nicht vollständig in Blickrichtung ausrichten, wenn wir nach unten schauen. Gerade wenn wir Smartphones nutzen, blicken wir häufig nur nach unten, anstatt den gesamten Kopf nach unten zu neigen.
Solche wertvollen Erkenntnisse führten beispielsweise zur Entwicklung neuer Brillenglasdesigns, die heute besonders berücksichtigen müssen, dass vor allem durch den unteren Teil des Brillenglases geschaut wird.
Drei Tipps für besseres Sehen von Dr. Katharina Rifai
- Ein regelmäßiger Besuch beim Augenoptiker und eine gut angepasste Brille entlasten das Sehsystem!
- Schon ab einem Alter von 30 Jahren ist es sinnvoll, über eine Unterstützung der Akkommodation durch eine Brille nachzudenken. Fragen Sie bei Ihrem Augenoptiker nach!
- Unterschätzen Sie niemals, wie sehr Handybenutzung unsere Aufmerksamkeit fordert und sorgen Sie für Ausgleichszeiten zur Entspannung!