Kameras von ZEISS?
Ein Blick in die Kamerageschichte
Oberkochen | 29. Oktober 2020 | ZEISS Consumer Products | Hintergrundartikel
Dass ZEISS im Jahr 1846 als optische Werkstätte gegründet wurde und seit 1890 exzellente Fotoobjektive baut, ist allgemein bekannt. Dass Tochterfirmen von ZEISS seit der Jahrhundertwende auch hochwertige Kameras fertigten, wissen hingegen nur eingefleischte Foto-Enthusiasten. Lesen Sie mehr über die lange Tradition des Unternehmens, das unzählige Innovationen im Bereich der Fotografie hervorgebracht hat und dessen Einfluss die Entwicklung der deutschen Kameraindustrie entscheidend geprägt hat. Große Namen und legendäre Kameras sind eng verwoben mit dem Namen ZEISS.
Die ersten Schritte einer neuen Industrie
Die Daguerreotypie, das erste wirklich praktikable Fotografieverfahren, wurde am 19. August 1839 vor der französischen Akademie der Wissenschaften präsentiert und stand danach jedermann zur freien und unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung. Wenige Wochen später brach ein wahrer Kamera-Boom in Deutschland aus. Zahlreiche Kunsttischler fertigten erste Kameras als Einzelstücke an und verkauften sie direkt oder über Händler. Die Erfindung der Bromsilbergelatine-Trockenplatte 1871 durch den englischen Arzt Dr. Richard Leach Maddox sollte dann endgültig den Weg für die industrielle Kamerafertigung ebnen. Zahlreiche Hersteller versuchten sich auf diesem neuen Markt zu etablieren. Auch der Optikspezialist ZEISS wollte daran teilhaben.
Ganz vorn mit dabei: "Carl Zeiss Palmos AG, Jena"
Gemeinsam mit Curt Bentzin aus Görlitz baute Paul Rudolph, Optikrechner bei ZEISS und Vater des berühmten Planar-Objektivs, 1899 eine Kamerafertigung unter dem Namen Palmos AG in Jena auf. Wenige Jahre später wurde diese in die "Carl Zeiss Palmos AG, Jena" umgewandelt. Die von der Firma zwischen 1902 und 1909 gebauten Palmos-Kameras nutzten unter anderem das von Rudolph neu entwickelte Tessar-Objektiv. Dieses sollte selbst zu einem weltweiten Erfolg werden – das erste Firmenlogo von ZEISS war sogar vom Tessar-Design inspiriert. Die 6x9-Rollfilmkamera von Palmos, deren Schnellaufzug gleichzeitig den Filmtransport und die Spannung des Schlitzverschlusses übernahm, gilt heute als ein Vorläufer der Kleinbildkameras.
Gemeinsam Stark: Die "ICA AG"
Zwar wurde die Palmos-Produktion 1909 eingestellt, doch ZEISS hatte noch lange nicht genug vom Fotokameramarkt. Auf Betreiben der Carl-Zeiss-Stiftung schlossen sich am 7. Oktober 1909 einige namhafte Kameraproduzenten dieser Zeit unter dem Dach der „Internationale Camera Actiengesellschaft", kurz ICA AG, zusammen. Neben Palmosbau gehörte die R. Hüttig AG dazu, die bereits 1862 erste Atelierkameras gebaut hatte und um 1900 der größte Kamerahersteller Europas war.
Ein weiterer Produzent im Verbund der ICA AG war E. Wünsche aus Dresden. Diese hatten sich mit Modellen wie der Rocktaschenkamera "Gnom" 1899 den Ruf erworben, die kleinste und leichteste Plattenkamera der Welt zu bauen. Auf das Konto des Herstellers Dr. R. Krügener gingen derweil innovative Modelle wie die erste Taschenbuch-Kamera oder die "Delta" – eine Magazinkamera, in der zwei Dutzend Platten per Schiebemechanismus auf ihre Belichtung warteten. 1912 trat dann noch die Schweizer Firma G. Zulauf der ICA AG bei.
Dieser Zusammenschluss bekannter Produzenten sollte sich für alle beteiligten bezahlt machen: Nach ihrer Gründung erreichte die ICA AG bald eine jährliche Produktion von 100.000 Apparaten.
Ein Riese wird geboren: Die "Zeiss Ikon AG, Dresden"
Getrieben durch die wirtschaftlich schwierige Situation nach dem Ersten Weltkrieg fanden 1920 die ICA AG und die Contessa-Nettel AG aus Stuttgart in einer Interessensgemeinschaft zusammen, der sich 1925 auch die „Optische Anstalt C.P. Goerz AG“ anschloss. Diese hatte mit dem „Goerz-Anschütz-Momentapparat“ eine Kamera geschaffen, die auch bewegte Objekte mit Einstellzeiten bis zu einer 1/1000 Sekunde einfangen konnte – berühmt sind ihre Fotos von springenden Pferden und fliegenden Störchen. Es folgten die Ernemann AG und schließlich ZEISS als Optiklieferant.
Unter Führung und Aktienmehrheit von ZEISS schlossen sich alle Partner der ICA AG am 15. September 1926 der Neugründung "Zeiss Ikon AG, Dresden" an. In diesen neuen Fotokonzern flossen tausende Kamerapatente der Gesellschaften ein. Die Zeiss Ikon AG beschäftigte zudem die wichtigsten Konstrukteure dieser Zeit und sollte einige berühmte Kameramodelle hervorbringen.
Mit der im Jahr 1932 erschienenen „Contax“ stieg Zeiss Ikon in den Kleinbildmarkt ein. 1935 folgte die zweiäugige „Contaflex“. Ein echter Verkaufsschlager sollten freilich Rollfilmkameras wie „Nettar“, „Ikonta“ und „Super Ikonta“ werden.
Geteilt, aber erfolgreich: ZEISS in Ost und West
Der Zweite Weltkrieg sollte auch für den neuen Kamerakonzern ein gravierender Einschnitt sein. Die bisherige Zivilproduktion musste für die Herstellung kriegsgewichtiger Güter zurückgestellt werden. Das betraf Neuentwicklungen wie die bereits 1935 patentierte "Tenax 24x24 mm" und auch die "Contax II" und "Contax III", die nur noch an offizielle Behörden ausgegeben werden durften. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt und auch die Firma ZEISS wurde in Ost und West getrennt:
Die Zeiss Ikon Werke in Dresden wurden weitgehend demontiert. 274 Mitarbeiter wurden zwangs-umgesiedelt, um in der UdSSR eine Fotoproduktion aufzubauen. Auf Verlangen der sowjetischen Truppen begann Ende 1945 bei Carl Zeiss die Neuproduktion der bisher bei Zeiss Ikon in Dresden hergestellten Contax-Kamera. Nach Enteignung begann beim nun volkseigenen Betrieb "VEB-Zeiss Ikon Dresden" ab 1948 die Neuproduktion mit der „Contax S“, der Neuauflage der 6x9-Ikonta unter der Bezeichnung „Ercona“ und der „Taxona“, einer Weiterentwicklung der „Tenax“.
Unterdessen hatten die Alliierten im Juni 1945 insgesamt 84 wichtige Konstrukteure sowie die amtierende Geschäftsführung der Carl-Zeiss-Stiftung von Jena nach Heidenheim umgesiedelt. 1946 führte das zur Gründung der "Opton Optische Werke Oberkochen GmbH", deren Name wenige Monate später wieder "Carl Zeiss" lauten sollte. Neuer Geschäftssitz der Zeiss Ikon AG wurde derweil Stuttgart. Dort nahm man die alte Produktion des Contessa-Werks wieder auf und produzierte erneut Kameras für die Zivilbevölkerung. In dieser Zeit entstanden im Westen die verbesserte „Conatx IIa/IIIa“. Später wurden fast 800.000 einäugige „Contaflex“-Spiegelreflexkameras umgesetzt.
Eine Schwester mit großem Namen: Voigtländer AG
Am 18. Mai 1956 erwarb die Carl-Zeiss-Stiftung Heidenheim die Mehrheit der Voigtländer AG, die davor zum Pharmaunternehmen Schering AG gehört hatte. Das Braunschweiger Traditionsunternehmen wurde – ohne Zusammenlegung – zur Schwesterfirma der Zeiss Ikon AG. Auch Voigtländer versuchte neben den Sucherkameras der „Vito“-Serie den Markteintritt hin zu den Spiegelreflexkameras.
Erst 1965 wurde die Zusammenarbeit enger und später die „Zeiss Ikon-Voigtländer Vertriebsgesellschaft mbH“ gegründet, um auf den Druck asiatischer Kamerahersteller zu reagieren. Zu Beginn des Jahres 1970 wurde die Voigtländer AG in die Zeiss Ikon AG eingegliedert. Deren Spiegelreflexkamera-Modell „SL 706“ konnte jedoch die Einstellung der Produktion im selben Jahr nicht mehr aufhalten. 1971 wurde schließlich auch die Produktion im Braunschweiger Werk beendet.
ZEISS in Oberkochen, die Rollei-Werke Franke & Heidecke und die Bank für Gemeinwirtschaft des Landes Niedersachsen gründeten 1972 die Auffanggesellschaft „Optische Werke Voigtländer GmbH, Braunschweig“. Es sollten dort unter anderem Projekte mit der japanischen Firma Asahi-Optical Company Ltd. Tokyo umgesetzt werden, doch der Plan ging nicht auf. 1974 wurden die Werke aufgelöst.
Partnerschaft in die Neuzeit: Contax und Zeiss Ikon
Ab 1974 kam es dann zur Zusammenarbeit zwischen ZEISS in Oberkochen mit der japanischen Kyocera-Corporation, die den alten Namen „Contax“ wiederbelebte. ZEISS lizenzierte den Bau und lieferte die Objektive. Es entstanden einige RTS-Modelle unter dem alten Namen sowie die Contax G-Typen, bevor Kyocera die gesamte Kameraproduktion im Jahr 2005 einstellte.
ZEISS hatte aber bereits Kontakt zur japanischen Firma Cosina aufgenommen und stellte noch im selben Jahr eine neue analoge Sucherkamera mit dem alten Namen „Zeiss Ikon“ vor. 2006 folgte das Modell „Zeiss Ikon Super-Wide“. Diese wurden bis 2012 direkt über das ZEISS Händlernetz vertrieben.
Die Liebe zur Fotografie ist natürlich nie erlahmt
Auch wenn der Kamerabau eingestellt wurde, pflegte ZEISS die Liebe zur Fotografie und fokussierte sich auf Objektive für anspruchsvolle Hobby- und professionelle Fotografen. Mit Objektivfamilien wie ZEISS Touit, Loxia und Batis spricht ZEISS Nutzer der Sony Alpha und Fuji X Serie an. ZEISS Milvus und die hochwertigen ZEISS Otus Objektive wurden für DSLR-Kameras entwickelt. Für die wachsende Smartphone-Foto- und Filmografie kooperiert ZEISS mit HMD bei Premiumsmartphones der Marke Nokia und mit Sony in der Xperia-Serie. Diese ungebrochen weiterentwickelte Expertise in Sachen digitaler Fotografie war unverzichtbar, um mit der ZEISS ZX1 im Jahr 2020 ein Statement für die Fotografie des digitalen Zeitalters vorzustellen.
Ein neues Konzept für eine neue Zeit: Die ZEISS ZX1
Die ZEISS ZX1 ist die erste digitale Vollformatkamera von ZEISS. Bei diesem Konzept ist von Objektiv bis Sensor, von Design bis Ergonomie, von grafischer Benutzeroberfläche bis Touch Screen alles auf einen angenehmen, reibungslosen Workflow für anspruchsvolle Fotografen ausgerichtet, die sowohl die smarte Technologie wie auch die Vorteile einer digitalen Bildbearbeitung on-camera bis hin zum Datenupload in die Cloud nutzen möchten. Ausgestattet mit einer von Smartphones vertrauten, intuitiven Benutzerführung, verfügt die ZEISS ZX1 über die optische Brillanz einer Vollformatkamera. Für Fotografen, die in der digitalen Welt zu Hause sind, und beides in einer bereits jetzt mit Designauszeichnungen gewürdigten, einzigartigen Kamera vereint haben möchten: Shot. Edit. Share.
Die ZEISS ZX1 ist in USA und Deutschland erhältlich. Mehr Informationen gibt es unter www.zeiss.de/zx1.
Die Geschichte von 1902-2012 im Überblick
In einem monumentalen Buch hat Bernd K. Otto die faszinierende Modellgeschichte der Kameras von ZEISS und aller Tochterunternehmen umfassend dokumentiert: Über 1.300 Seiten dick und 3,5 Kilo schwer ist das „Carl Zeiss Kamera-Register 1902–2012“ (Neuss: Verlag Rudolf Hillebrand, 2012).
Übersichtlich und in Tabellenform sind alle z.B. von den Firmen Zeiss Ikon und Zeiss Ikon/Voigtländer hergestellten Kameratypen aufgeführt: insgesamt rund 220 Kameras in über 4600 Modellvarianten bis zur Zeiss Ikon, die bis 2012 vertrieben wurde. Daneben enthält es eine wertvolle historische Einführung und einen ausführlichen Stammbaum der Töchterfirmen. Erfahren Sie hier mehr über den Autor und seine Begeisterung für ZEISS: https://lenspire.zeiss.com/photo/en/article/a-compendium-of-the-history-of-zeiss-cameras.