Nur zur internen Verwendung

Dr. Ludwin Monz

CEO Carl Zeiss Meditec

Justus Felix Wehmer

CFO Carl Zeiss Meditec


„Der existentielle Charakter ist prägend für diese Krise…“

… sagte Dr. Ludwin Monz, Leiter der Medizintechnik-Sparte, im Gespräch zu ZOOM MED. Gemeinsam mit Justus Felix Wehmer, im Vorstand der MED für Finanzen zuständig, gab er Einblicke ins Krisenmanagement der MED.

Das Interview wurde am 8. Oktober 2020 geführt.

Wie hat die ZEISS Medizintechnik die Krise bislang gemanagt?

Ludwin Monz: Wir hatten ja schon vor einiger Zeit das Resilienz-Projekt gestartet, aber diese Art der Krise hatten wir nicht erwartet. Das Ausmaß der Pandemie und die Auswirkungen auf unser Unternehmen waren erheblich. Als Management haben wir zunächst drei Prioritäten definiert, die heute und noch bis zum Ende der Krise gelten werden. Als erstes die Gesundheit unserer Mitarbeiter zu schützen. Als zweites die weitere Belieferung und Unterstützung unserer Kunden sicherzustellen. Und als drittes dann finanziellen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Und auch in dieser Reihenfolge. Mit diesen Prioritäten sind wir dann in die Umsetzung unserer Maßnahmen gegangen. Gerade der Gesundheitsschutz erforderte, dass wir sehr schnelle und drastische Maßnahmen einleiten, z. B. am Anfang das mobile Arbeiten.

Wie wurde das Krisenmanagement bei der MED organisiert?

Ludwin Monz: Wir haben die Aktivitäten in einer sogenannten Corona-Taskforce gebündelt. Dort werden die verschiedenen Maßnahmen koordiniert und zusammen mit einem Lenkungskreis, in dem der Vorstand vertreten ist, beschlossen. So haben wir immer den aktuellen Informationsstand der verschiedenen Standorte. Und gleichzeitig stellen wir sicher, dass die verschiedenen Maßnahmen auch an den Standorten koordiniert sind. Die Taskforce fokussiert sich primär auf den Gesundheitsschutz aber auch auf finanzielle Maßnahmen und Kostenmanagement.

Wie sind wir denn wirtschaftlich durch die Krise gekommen?

Justus Wehmer: Unsere Geschäfte waren bzw. sind in unterschiedlicher Ausprägung von der Krise betroffen. Der Refraktiv-Bereich hat es sogar mit einer starken Aufholung im vierten Quartal noch geschafft, ein Wachstum im Vergleich zum Vorjahr zu erreichen. Das ist aber die Ausnahme. Alle anderen Bereiche haben Einbrüche erlebt, die im zweistelligen prozentualen Bereich im Auftragseingang und Umsatz lagen. Erst im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2019/20 sahen wir auch in diesen Bereichen eine Erholung. Aber: wir sind noch immer in der Krise.

Inwieweit hat uns der Produktmix geholfen?

Justus Wehmer: Unser Verbrauchsmaterialien-Geschäft macht fast ein Drittel unseres Umsatzes aus. Hier hat sich die regionale Verteilung sehr vorteilhaft für uns ausgewirkt. Insbesondere im Refraktivbereich sind die asiatischen Märkte wie China oder Korea sehr gut aus der Corona-Krise herausgekommen und haben schnell wieder begonnen, die Verbrauchsmaterialien in großen Umfängen abzurufen. Auf der anderen Seite ist das Geräte-Geschäft, womit wir insbesondere in den USA stark vertreten sind, in stärkere Mitleidenschaft gezogen worden. Denn die Pandemie in den USA hält schon wesentlich länger an. Die hohe Präsenz in Asien mit dem Verbrauchsmaterialien-Geschäft hat uns sehr geholfen, das aufzufangen.

Sind einzelne Kundensegmente stärker oder schwächer von der Krise betroffen?

Ludwin Monz: Öffentliche Krankenhäuser, die multidisziplinär aufgestellt sind, also auch COVID-19-Patienten behandeln, sind naturgemäß stärker von der Krise getroffen. Aber auch die privaten Kliniken als auch die privaten Spezial-Kliniken sind betroffen. Das Geschäft der Mikrochirurgie, was ja in höherem Maße mit Krankenhäusern gemacht wird, hat genauso gelitten, wie unser Diagnosegeschäft, wo wir stärker im privaten Sektor agieren.

Dann ist auch die Investitionsbereitschaft in den Kliniken zurückgegangen?

Justus Wehmer: Ja, da wurden Budgets eingefroren, um erstmal abzuwarten, welche Gelder unter Umständen benötigt werden für die weitere Anschaffung an Notfallbetten und Beatmungsgeräten.

Wurde die Digitalisierung durch die Pandemie beschleunigt?

Ludwin Monz: Bei der MED arbeiten wir schon seit Jahren an der Digitalisierung. Die Pandemie hat jetzt bewirkt, dass sich der Prozess der Digitalisierung beschleunigt hat. Wir haben in einer relativ kurzen Zeit notgedrungen viele Dinge ausprobiert und gelernt, was in der Digitalisierung funktioniert und was nicht. Das gilt sowohl firmenintern als auch in der Wechselwirkung mit unseren Kunden. Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach unseren heutigen Digital-Lösungen deutlich angestiegen ist. Und auch bei der Fernwartung („remote service“) sehen wir eine stark wachsende Bereitschaft der Kunden, ihre Geräte tatsächlich ans Netz zu nehmen.

Wie lange wird der Gesundheitssektor noch durch Corona beeinträchtigt sein?

Justus Wehmer: Entscheidend wird sein, wie der Gesundheitssektor mit COVID-19 klarkommt und wann Kliniken und Hospitäler wirklich in einen normalen stabilen Betrieb zurückkommen, der nicht mehr gestört wird durch politische Einflussnahme zur Gesundheitskrisenbekämpfung. Wann das sein wird, ist schwierig vorherzusehen.

Ludwin Monz: Die Krise selbst wird erst vorbei sein, wenn es einen Impfstoff gibt und das dauert mindestens noch ein Jahr. Denn der Impfstoff muss dann auch in substanzieller Quantität verfügbar sein und ich fürchte, das wird noch eine ganze Weile dauern.

Welche Aspekte werden wir mit in eine neue Normalität nehmen?

Ludwin Monz: Das sind viele Dinge, die wir gelernt haben. Digitalisierung ist eines davon. Und das Wissen, dass man Dinge auch anders machen kann. Auch die Art und Weise, wie wir im Unternehmen arbeiten, wird sich nachhaltig verändern. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, den ich wichtig finde. So eine Krise ist für ein Team eine enorme Ausnahmesituation. Wir werden als Organisation hinterher eine andere sein und uns durchaus positiv verändert haben.

Justus Wehmer: Wir können daraus Selbstvertrauen mitnehmen, wie wir diese größte Wirtschaftskrise der jüngeren Geschichte als Organisation schnell, konsequent und global gemanagt haben. Das erfordert eine Bereitschaft zur Veränderung. Aber man sieht, was man damit erreichen kann.

Zum Abschluss ein Blick zurück - wie habt ihr persönlich die erste Zeit der Pandemie erlebt?

Justus Wehmer: Ganz offen: Ich fand es zunächst sehr belastend – im beruflichen wie privaten Umfeld. Und das ist es, was diese Corona Krise von anderen Krisen unterscheidet. Finanzkrisen sind allgemein Krisen, die einen im beruflichen Umfeld erfassen. Das nimmt man sicherlich auch mit nach Hause. Was aber an der Corona Krise anders ist, ist die Sorge um die eigene Gesundheit, um die von Familie und Freunden. Corona ist allumfassend und hat uns neben dem beruflichen auch im Privaten getroffen. Das unterscheidet Corona von allem anderen.

Ludwin Monz: Gerade der existentielle Charakter ist prägend für diese Krise. Ich möchte rückblickend noch ergänzen, dass wir viele Dinge gemacht haben, ohne darüber nachzudenken: Reisen, Einkaufen, Freizeitgestaltung, der Umgang untereinander. Und plötzlich mussten wir uns komplett umgewöhnen. Gewisse Dinge gingen nicht mehr. Das ist schon ein dramatischer Wandel. Gerade wenn ich meine persönliche Arbeit anschaue, wie die sich verändert hat: keine Reisen mehr außerhalb Deutschlands. Das zwingt einen dazu, ganz anders zu kommunizieren, ganz anders mit den Geschäftspartnern zu arbeiten. Das ist schon ein tiefgreifender Wandel. Der bis heute nicht abgeschlossen ist.

Herzlichen Dank für das Gespräch!