Hartmut König

Sustainability Koordinator der MED

Lauric Weber

Leiter der ZEISS Initiative Green Product Design


Wie grün wollen wir werden?

In jedem Einzelnen von uns muss das Verständnis reifen, dass Nachhaltigkeit in unserer Verantwortung liegt, in unseren Werten mit aufgenommen, in unserer Firmenkultur verankert und gelebt werden muss“, sagt Hartmut König, Sustainability Koordinator der MED. Im ZOOM MED Interview spricht er gemeinsam mit Lauric Weber, Leiter der ZEISS Initiative Green Product Design, über die Herausforderungen, Medizinprodukte nachhaltig zu entwickeln.


Wir entwickeln Produkte und Lösungen für neue Diagnose- und Therapieansätze und unterstützen damit den Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit durch Förderung der menschlichen Gesundheit. Warum können wir uns darauf nicht ausruhen?

Lauric Weber: USoziale Nachhaltigkeit ist leider nicht alles, und nicht mehr zu tun steht entgegen unseren Werten und unserer Verantwortung.

Hartmut König: Hierzu passt das Beispiel der Zuckerwatte, die ein amerikanischer Zahnarzt erfunden hat. Da stellt sich die Frage: Hat er sie erfunden, weil sie gut schmeckt oder weil er mehr Patienten haben wollte? Es ist richtig: Mit unserer täglichen Arbeit tragen wir dazu bei, dass es Menschen besser geht. Aber wir befinden uns auch in einem Wettbewerb. Wenn wir uns differenzieren wollen, dann sollten wir in Sachen Nachhaltigkeit einen Unterschied machen, denn Kundinnen und Kunden werden zukünftig verstärkt danach fragen.

Lauric Weber: Und nicht nur sie, sondern auch Menschen, die sich bei uns bewerben. Ich habe selbst schon erlebt, dass junge Bewerberinnen und Bewerber uns fragen, welchen Beitrag wir für den Klimaschutz leisten. Für die kommende Generation ist das ein Auswahlkriterium. Das ist auch gut so! Denn alle Mitarbeitenden – egal ob in der Produktentwicklung, im Marketing oder Vertrieb – sind diejenigen, die den Unterschied machen. Wir alle haben einen Einfluss darauf, ob unsere Produkte in Zukunft grüner sind.

Wie kann es uns bei der MED gelingen, unsere Produkte nachhaltiger zu entwickeln? Wo müssen wir ansetzen?

Hartmut König: Hier brauchen wir neue Denkansätze: Unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit sollten wir uns den kompletten Lebenszyklus der Produkte – also von der ersten Idee, bis hin zum Lebensende – anschauen und Hebel definieren, mit denen wir Einfluss auf Nachhaltigkeit nehmen können. Das können ganz einfache Fragen sein: Wo kommen die Materialien her, die wir verbauen und mit welchem Energieaufwand werden diese hergestellt? Wie können wir den Transport eines Produktes optimieren? Welche Recyclingmöglichkeiten haben wir, wenn ein Produkt sein Lebensende erreicht hat?

Lauric Weber: Das ist ein wichtiger Punkt, denn Aspekte der Nachhaltigkeit müssen bereits ganz am Anfang des Lebenszyklus eines Produkts als Ziel mit aufgegriffen werden. Noch bevor wir mit der Entwicklung beginnen, müssen aus dieser Zielsetzung Anforderungen abgeleitet und ins Pflichtenheft des Produktes mit aufgenommen werden. Momentan haben wir dafür noch keinen Prozess etabliert. Doch daran arbeiten wir im Rahmen des ZEISS Key Group Program „Sustainability“ und der ZEISS-weiten Initiative zu „Green Product Design“. Letztere leite ich gemeinsam mit Markus Esseling von IQR. Die Herausforderung ist, dass ZEISS ein sehr diverses Produktportfolio hat und die Hebel, die wir für nachhaltiges Produkt-Design definieren wollen, für jeden ZEISS Unternehmensbereich individuell passen müssen. Genau daran arbeiten wir gerade.
Und noch ein wichtiger Punkt: Für gute Lösungen müssen wir hier auch außerhalb unserer heutigen Strukturen und Bereiche denken.

Gibt es Ideen, beispielsweise unsere Single-use Produkte wie Drapes nachhaltiger zu gestalten?

Lauric Weber: Dazu gibt es gerade ein Pilotprojekt in Oberkochen. Wir schauen uns an, ob wir sogenannte Single-use Produkte wie Drapes aus bereits recycelten Stoffen herstellen können bzw. ob die Produkte selbst recycelbar sind. Es liegt in unserer Verantwortung, ein intelligentes Recycling-Konzept zu etablieren.

Hartmut König: Doch hier stehen wir vor regulatorischen Herausforderungen, denn die Richtlinien für Medizinprodukte widersprechen oft den Ansprüchen für Nachhaltigkeit. So dürfen beispielsweise Produkteverpackungen (Blister) – etwa für unsere Treatment Packs für die refraktive Chirurgie – nicht aus bereits recycelten Kunststoffen hergestellt werden. Zudem gehören viele Abfälle aus Praxen und Klinik in den Sondermüll. In Deutschland ist es üblich, dass dieser verbrannt wird und eben nicht in einen Recycling-Prozess integriert wird.
Medizinprodukte nachhaltiger machen bringt Herausforderungen mit sich. Doch wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun! Es ist wichtig, dass wir irgendwo anfangen und tolle Beispiele finden – auch international –, die ein Ansporn sind und zeigen, dass wir nachhaltiger sein können.

Zum Schluss direkt gefragt: Wie grün sind wir eigentlich?

Lauric Weber: Unsere Produkte stehen seit jeher für Langlebigkeit. Das ist wirklich ein großes Pfund auf der Waage der Nachhaltigkeit: Solange die Geräte im Einsatz sind, müssen keine neuen Ressourcen verschwendet werden. Aber wir können definitiv noch viel mehr tun!

Hartmut König: aus regulatorischer Sicht sind wir verpflichtet, unsere Produkte zurückzunehmen, wenn sie ihr Lebensende erreicht haben. Kommen Produkte zu uns zurück, dann wird geprüft, ob sie für den Zweitmarkt aufbereitet werden können. Sind sie für diesen nicht mehr geeignet, dann werden sie natürlich recycelt.

Lauric Weber: Doch unsere Produkte sind noch nicht so entwickelt, dass wir alles trennen und wieder in den Kreislauf zurückführen können. Auch hier gibt es noch Potenzial für Optimierung.

Hartmut König: Kurzum: Wir sind bei weitem nicht so grün, wie wir sein könnten. In jedem einzelnen von uns muss das Verständnis reifen, dass Nachhaltigkeit in unserer Verantwortung liegt, in unseren Werten mit aufgenommen, in unserer Firmenkultur verankert und gelebt werden muss!

Vielen Dank an Sie beide für das informative Gespräch!